Spirit of Styria

Skalieren NOW!

Erfolg mit gedruckten Heizgeräten: Den Durchbruch hat die vor zehn Jahren gegründete „ATT advanced Thermal Technologies GmbH“ mit Sitz und Produktion im Gewerbepark Dobl-Zwaring längst geschafft. Doch nun sollen die Früchte jahrelanger beharrlicher Entwicklungsarbeit in noch viel größerem Stil geerntet werden.

Die beiden geschäftsführenden ATT-Gesellschafter Hannes Scheiber (l.) und Robert Breinl (r.) mit
Co-Gründer und Mitgesellschafter Christian Kussmann, der sich vor Kurzem aus der Geschäftsführung
zurückzog, aber nach wie vor eine zentrale operative Position im Unternehmen innehat.

Konzentriert und ziemlich ruhig geht die Produktion in der hellen, blitzsauberen Halle ab. Werkstücke werden gefinisht, zusammengesteckt, verpresst, gelötet oder geprüft. Eine Mitarbeiterin überwacht eine Maschine. Ein Beschäftigter verteilt mit einem Schwamm schäumende Lauge auf einer Siebdruckschablone, um sie zu reinigen.

Zwei Werkstücke springen entlang der kompakten Produktionsstrecken sofort ins Auge: ein rechteckiges schwarzes, etwa einen halben Meter langes Tablett aus Kunststoff und eine weiße Platte, ebenfalls aus Kunststoff, deren Oberfläche mit einer Folie bestückt ist, die ein Muster mikroelektronischer Bahnen, Schaltungen und Widerstände trägt. Herzstück der Produktion ist eine Siebdruckmaschine, die unter Verwendung von Hightech-Lacken auf Silber-, Kupfer- oder Carbonbasis eben diese Muster in mehreren Durchgängen auf die Folien aufbringt. Diese Folien wiederum sind das innovative Rückgrat einer Technologie, die eine neue Dimension des Heizens ermöglicht. Prädestiniert für Anwendungen in den unterschiedlichsten Bereichen von der Automobilüber die Luft- und Raumfahrt- sowie die Eisenbahnbis zur Verpackungsindustrie oder zum Ladenbau. Bei den schwarzen Tabletts, erklärt Robert Breinl, einer der Gründer des Unternehmens und gemeinsam mit Hannes Scheiber geschäftsführender Gesellschafter von ATT, handle es sich um sogenannte „Food Trays“. Entwickelt für das österreichische Ladenbauunternehmen Umdasch, das diese bei seinen Ladenausstattungen auch exklusiv und sehr erfolgreich einsetze. Die Trays würden z.B. dazu dienen, Backwaren bzw. Speisen etwa in Shops oder Kantinen warm zu halten.

SELBSTREGULIEREND
Gerade an einer scheinbar simplen Anwendung lassen sich die Möglichkeiten der intelligenten Heizfolientechnologie gut aufzeigen. Während herkömmliche Systeme nämlich mit Heißluft oder Heizdrähten arbeiten, was nicht nur das warm zu haltende Gut bald unansehnlich vertrocknet – also tatsächlich alt – aussehen lässt, sondern auch erhebliche Stromkosten mit sich bringt, punktet die Lösung des steirischen Innovationsunternehmens mit intelligenten Features. Nicht nur, dass die in den Kunststoff integrierte Folie energieeffizient für eine flächige Erwärmung über ihre gesamte Ausdehnung sorgt; die auf die Folie aufgedruckten PTC-Lacke mit dem daraus resultierenden gleichnamigen Effekt würden, erläutert Co-Gründer und Geschäftsführer Hannes Scheiber, über die ganze Folienstruktur hinweg eine divergierende, also jeweils punktuell bedarfsgerechte Erwärmung der Kunststoffoberfläche erlauben.

Doch damit auch noch nicht genug: Der Grad der Erwärmung reguliere sich für jeden Heizpunkt dieses Rasters selbstständig innerhalb eines vordefinierten Rahmens – und zwar ohne zusätzliche Sensorik und Steuerung. Dieser intelligente Mechanismus resultiere wiederum aus dem Positive-Temperature-Coefficient-Effekt (PTC-Effekt), der dem Phänomen geschuldet sei, dass der elektrische Widerstand mit steigender Temperatur zunehme und so die Erwärmung durch die sich vermindernde Stromzufuhr stufenlos eingebremst werde. Zur komplexen Systemintelligenz verfeinern lässt sich dieser inhärente Selbstregulierungsmechanismus durch die Integration druckbarer Sensoren, die ihrer detektivischen Aufgabe bei Bedarf ebenso über die gesamte Struktur verteilt nachgehen können. Durch ihre Stabilität über die Zeitachse sowie den konkurrenzlosen Messbereich bis ca. 250 Grad Celsius nähmen die ATT-Sensoren dabei eine technologische Vorreiterrolle ein.

In nächster Zeit liegt unser Fokus ganz klar auf Skalierung und Ausweitung der Produktion.

ROBERT BREINL, HANNES SCHEIBER – ATT-GRÜNDER UND GESCHÄFTSFÜHRER

AIRBUS – ZULIEFERER
Ein weiteres technologisches Asset der gedruckten Heizfolien made in Styria und ein zentraler USP des Unternehmens generell, so Breinl sinngemäß, liege in einer einzigartigen Beherrschung von eng miteinander verschränkten Entwicklungs- und Produktionsprozessen. So seien die Folien etwa „hinterspritzgussfähig“ und könnten somit vollständig in Kunststoffteile, aber auch in andere Materialien integriert werden. „Mit unserer Engineeringkompetenz“, ergänzt Scheiber, „sind wir zudem in der Lage, unsere Technologie sehr konsequent und effi-zient auf ganz spezifische Anforderungen von Branchen und Kunden anzupassen.“ Seine umfassende technologische Intelligenz hat auch dem zweiten der beiden angesprochenen Werkstücke ein eindrucksvolles Einsatzgebiet beschert: Über die Bauteile eines Tier-1-Zulieferers gelangen die folierten weißen Platten in die aktuellen Modelle der Airbus-Langstrecken-Serien, um in neuralgischen Kältebrückenbereichen an den Ausstiegen den Fußboden zu beheizen, wobei sie ineffizientere und reparaturanfälligere drahtbasierte Lösungen abgelöst haben. Mittlerweile werden die Heizelemente für Airbus im Zweischichtbetrieb hergestellt. Angesichts der enormen Qualitätsansprüche und Sicherheitsanforderungen der (europäischen) Luftfahrtindustrie kommt dieser Auftrag zweifelsohne einem Gütesiegel gleich. „Es als kleines Unternehmen aus der Nähe von Graz bis zum Airbus-Zulieferer zu bringen, das sagt schon was aus. Darauf dürfen wir stolz sein“, bringt es Breinl auf den Punkt. Aktuell stehe durch solche und weitere Produkte bei etwa 20 Beschäftigten ein Umsatz von rund 3,5 Millionen Euro zu Buche. Doch das Potenzial, deuten Breinl und Scheiber an, sei um ein Vielfaches höher – „und um das zu heben, haben wir die Firma ja auch gegründet“.

ATT-Erfolgsinnovation: hauchdünne gedruckte Heizgeräte und Sensoren auf Folien

START-UP – REVIVAL
Gemeinsam mit Kompagnons, allesamt mit Magna-Vergangenheit, die heute ebenfalls an ATT beteiligt sind bzw. führende Positionen im Unternehmen einnehmen, haben Scheiber und Breinl bereits einmal ein Unternehmen erfolgreich hochgezogen. Der 2008 gegründete Engineeringdienstleister „qpunkt“ mit Fokus auf Strömungssimulation, Akustik und Thermomanagement (insbesondere Motorkühlung), verfügte neben dem Sitz in Hart bei Graz über Stand-orte in den deutschen Autometropolen Ingolstadt, München, Stuttgart und Wolfsburg und beschäftigte über 100 Menschen, bevor er 2014 an die Grazer AVL verkauft wurde. Bei der im selben Jahr gegründeten ATT sollte, so Scheiber, „das Augenmerk von Anfang an stärker auf der Entwicklung eigener Produkte liegen“. Ein bereits erfolgreich eingeführtes Produkt, eine Heizung für AdBlue-Tanks für Porsche, fand allerdings im Dieselgate ein jähes Ende. Schrecksekunde. „Unsere Kreativität war gefordert.“

Mittlerweile befänden sich neben den bereits erwähnten sowie weiteren Produkten wie etwa Innenraumheizungen für Exklusivboliden wie Bugatti und Koenigsegg zahlreiche Innovationen in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium oder stünden unmittelbar vor dem Serienrelease. Von Anfang an sei dabei der E-Mobilität große Bedeutung zugemessen worden. „Weniger Gewicht und geringerer Energieverbrauch bei mehr Komfort und Verlässlichkeit – genau zu dieser zentralen E-Mobility-Challenge können wir mit unseren Lösungen signifikante Beiträge leisten“, bringt es Breinl auf den Punkt. Weitere Anwendungsgebiete neben der Innenraumbeheizung sind zum einen die LiDAR- und RADAR-Sensoren der Selbstfahr- oder Fahrerassistenzsysteme, wo es um effiziente Enteisung und Entnebelung zur Gewährleistung ungetrübter Funktionalität geht. Zum anderen die Batterien bzw. Akkus, wo die hauchdünnen Heiz- und Sensorfolien bei Temperaturmanagement und Monitoring konkurrenzlos im Vorteil seien.

RIESENPOTENZIAL
Neben (E-)Fahrzeugen seien weiterhin Flugzeuge, aber auch Raum- und Schienenfahrzeuge sowie Helikopter und Drohnen, speziell deren Rotoren, sowie Verpackungsmaschinen potenzielle Nutznießer der hauchdünnen gedruckten Intelligenzbestien. Dass sich das Erfolgsprinzip nicht nur auf Temperaturanwendungen ausrollen lässt, beweist ein weiterer Innovationsschauplatz: Mit gedruckten Drucksensoren soll das Batteriemonitoring noch intelligenter werden: Hintergrund: Steigender Druck lasse Rückschlüsse auf Ladezustand und mögliche Beschädigungen von Batteriezellen zu. Der Fokus der nächsten Monate lie ge ganz klar auf Skalierung und Produktion, geben die beiden Unternehmer die Parole aus. Zahlreiche hochvolumige Projekte stünden knapp vor der Realisierung. Eine benachbarte Halle sei bereits angemietet. Die geplanten Produktionsziele könnten mit verhältnismäßig überschaubaren Investitionen gestemmt werden. Die Challenge sei es vielmehr gewesen, erst einmal so weit zu kommen. „Schön, dass es Finanzierungen und Förderungen gibt. Aber bei Entwicklungszeiten von mehreren Jahren, bedingt auch durch langwierige Überzeugungs- und Zulassungsprozesse sowie träge Branchenzyklen, und bei Entwicklungskosten teils in Millionenhöhe sind heimische Fördermodelle bei aller Bemühtheit nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Unternehmen wie Tesla oder Apple wird es unter solchen Voraussetzungen hier niemals geben“, feuern Scheiber und Breinl eine Breitseite auf die heimische Start-up-Finanzierungskultur ab. Bei ATT ist 2017 die weststeirische Technologieschmiede REMUS unter der Ägide ihres CEO Stephan Zöchling und des mittels Stiftung als Mehrheitsgesellschafter fungierenden Investors Hans Peter Haselsteiner mit 35 Prozent eingestiegen. Höchste Zeit, der Konkurrenz den Auspuff zu zeigen.

ATT
Die „ATT advanced Thermal Technologies GmbH“ mit Sitz und Produktion in der Gewerbeparkstraße in Dobl-Zwaring wurde 2014 in Graz gegründet. Als F&E-getriebenes Unternehmen entwickelt und produziert die ATT hauchdünne und in beliebiger Ausdehnung herstellbare gedruckte Heizgeräte auf Basis eines Verfahrens, mit dem Speziallacke auf Silber-, Kupfer- oder Carbonbasis in einem mehrschichtigen Verfahren mittels Siebdruck auf Folien aufgetragen werden.

Der Anwendung sind kaum Grenzen gesetzt: 
von der Innenraum- über die Sensorheizung und das Temperaturmanagement bei Batteriesystemen bis zur Enteisung u.v.m. Die Anwendungsgebiete reichen von (E-) Mobilität und Schienen-verkehr über Luftfahrt und Raumfahrt bis zur Verpackungsindustrie. Kunden kommen (teils über Zulieferer) aus dem europäische OEM-Who’s-who von Airbus bis Volkswagen.

Zu den Gründern und Gesellschaftern zählen neben den aktuellen Geschäftsführern Robert Breinl und Hannes Scheiber auch Christian Kussmann, Peter Drage und Peter Oberauer. Seit 2017 hält die „Remus Holding GmbH“ (Stephan Zöchling, Hans Peter Haselsteiner) 35 % der Anteile. 20 Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter, Umsatz aktuell ca. 3,5 Mio. Euro. www.thermaltech.at

FOTOS: BEIGESTELLT: ATT/OLIVER WOLF

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