Spirit of Styria

ROLE MODELS statt (alter) Rollenbilder

Der Talk rund um den internationalen Frauentag am 8. März: „SPIRIT of Styria“ diskutierte mit einer Runde erfolgreicher und inspirierender Frauen über alte Rollenbilder und neue Werte, die Extrameile für den Erfolg und die Vision einer chancengleichen und geschlechtergerechten Welt.
Angeregte Diskussion über das Thema Chancengleichheit
in den Räumlichkeiten von „SPIRIT of Styria“ mit Herausgeber
Siegmund Birnstingl und CR Wolfgang Schober
TALK AM RING 
ist ein Diskussionsformat
von SPIRIT of Styria. Jeden Monat laden
wir Expertinnen und Experten zur Diskussion über ein spannendes Wirtschaftsthema an den Runden Tisch in die Redaktion am Grazer Opernring. 

Braucht es Ihrer Ansicht nach weibliche Role Models?
Cisar-Leibetseder: Ich denke schon, dass wir Role Models brauchen, weil sich Frauen möglicherweise – jetzt falle ich gleich in ein Klischee – selbst zu wenig zutrauen. Zumindest erlebe ich das so. Wenn eine Frau bei einer Stellenausschreibung das Anforderungsprofil in ihrer Wahrnehmung nur zu 90 Prozent erfüllt, dann ist das für sie häufig ein Grund, sich gar nicht erst zu bewerben. Aber wenn Frauen vermehrt andere Frauen sehen, die vielleicht auch nicht alles zu 100 Prozent können und wissen – und niemand kann das –, dann trauen sie sich auch mehr zu. Solche Beispiele wirken motivierend.

Loidl: Vorbilder braucht es definitiv. Ich denke, es gibt viele potenzielle Role Models, die meisten wirken im Verborgenen. Daher ist es wichtig, sie sichtbar zu machen und vor den Vorhang zu holen. Obwohl es bei mir selbst etwas anders war: Mich persönlich hat es immer am meisten angespornt, wenn jemand zu mir gesagt hat: Du kannst das nicht! Oder: Das ist nichts für dich! Wer das zu mir gesagt hat, hat mich unwissentlich motiviert.

Zechner: Ich frage mich: Role Model – was ist das eigentlich? Ist das nur eine erfolgreiche Frau? Oder jede Frau, die in ihrer Position und ihrer Aufgabe aufgeht? Unsere Verantwortung als Frauen ist es sicherlich, andere Frauen zu stärken. Gleichzeitig sage ich: Jede ist dort, wo sie ihre Aufgabe gefunden hat und glücklich ist, ihr eigenes Role Model. Ich selbst bin in einer männerlastigen Branche tätig. Mein Amt als Fachgruppenobfrau der Holzindustrie in der Wirtschaftskammer war davor nur von Männern bekleidet. Ich habe mich aber nie gefragt, ob ich ein Role Model bin – sondern ich bin jemand, der einfach tut und macht und nicht lange hinterfragt, wenn etwas zu erledigen ist.

DIE TEILNEHMERINNEN

Lisbeth Wilding Vorstandsmitglied
Sattler AG

Monika Cisar-Leibetseder Generaldirektorin Volksbank Steiermark

Monika Zechner Sägewerksbetreiberin, Fachgruppenobfrau Holzindustrie WKO Steiermark

Michaela Krenn Geschäftsführerin Radkersburger Hof

Martina Loidl Unternehmensnachfolgerin TeLo, Technisches Büro Loidl

Wilding: Da knüpfe ich gerne an: Ich würde mir wünschen, dass wir über „Role Models“ gar nicht mehr sprechen müssten. Allein die Tatsache, dass wir heute hier sitzen und über mangelnde Chancengleichheit, Gender Pay Gap & Co. diskutieren, zeigt die nach wie vor vorhandene Brisanz des Themas auf. Selbst wenn es für manche als eine More-of-the-same-Diskussion scheint, schafft die Auseinandersetzung mit dem Thema Bewusstseinsbildung und damit die Basis für Veränderung und Weiterentwicklung – selbst wenn dies im Schneckentempo erfolgt.

Krenn: Ich persönlich mache alles, was ich tue, immer mit großer Leidenschaft. Und das ist es, was zählt – egal ob ich eine Frau oder ein Mann bin. Ich arbeite seit 25 Jahren mit Frauen und Männern sehr gut zusammen. In Runden wie diesen, müssen wir die Basis für viele weitere Frauen schaffen und sie motivieren, sich Führungspositionen zuzutrauen. Das beginnt bereits beim Bewerbungsgespräch, in dem Männer oftmals weniger Scheu haben. Ich führe viele Bewerbungsgespräche, wo ich sehe, dass Frauen immer wieder unsicher sind bezüglich ihrer Qualifikationen – da haben wir sicher Aufholbedarf in puncto Selbstvertrauen. Die Schlüsselfrage ist natürlich immer die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die oft zu Lasten der Frau entschieden wird. Schließlich sind es wir Frauen, die die Kinder kriegen, aber wir haben auch das Organisationstalent, alles gut zu meistern. Am wichtigsten ist, sich als Frau von niemandem ein schlechtes Gewissen einreden zu lassen, wie man die eigene Familie organisiert. Das passiert leider nach wie vor, wenn Mütter ihre Kinder in die Kinderbetreuung geben.

Zechner: Zur Frage der Vereinbarkeit sage ich ganz klar: Es muss die Wahlfreiheit für Frauen gegeben sein. Ich halte nichts davon, zu sagen „Frau muss“, sondern Frau darf entscheiden – und dafür braucht es Rahmenbedingungen, die diese freie Entscheidung ermöglichen. Ich für mich kann sagen, dass ich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelebt habe bzw. immer noch lebe. Mittlerweile sind meine Kinder erwachsen. Das macht natürlich einen großen Unterschied, aber damals mit kleinen Kindern und der großen Verantwortung für den kaufmännischen sowie den Salesbereich unseres Betriebs war das natürlich eine riesige Herausforderung. Man könnte sagen „Management bei Chaos“. (lacht) Daher begrüße ich die derzeitigen Anstrengungen für eine qualitativ hochwertige und flächendeckende Kinderbetreuung, sodass eine echte Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich ist.

Loidl: Ich bin selbst im Büro aufgewachsen, in der Spielecke neben dem Schreibtisch meiner Mama. Ich habe noch keine Kinder, aber für mich ist klar, dass mein Kind einmal in eine Kinderkrippe kommt. Schon heute bin ich deswegen mit vorwurfsvollen Fragen konfrontiert wie: „Wie kannst du das nur tun? Glaubst du wirklich, dass das der richtige Weg ist?“ So als würde ich das Kind in ein Straflager geben. Österreich ist hier offensichtlich konservativer als anderen Länder, wo es ganz normal ist, Kinder bereits nach sechs Monaten in eine Kinderbetreuung zu geben.

Krenn: Mein sechsjähriger Sohn besucht jetzt den Kindergarten. Er kam mit zwei Jahren in die Kinderkrippe und ich war dankbar für diese Möglichkeit, denn es hat alles immens erleichtert. Ich kann auch auf die Unterstützung der Familie bzw. der (Groß-)Eltern zählen und voll und ganz auf meinen Partner. Wir haben schnell gelernt: Gute Planung ist das A und O. Mein Mann und ich sitzen jedes Wochenende mit unseren Terminkalendern zusammen und besprechen die kommenden Tage ganz genau durch. Wer macht wann was? Wer hat wann Abendtermine oder ist verfügbar? Das machen wir ganz strikt, damit es sich ausgeht – und es funktioniert!

Zechner: Wie schon gesagt: Was wir am dringendsten brauchen, ist eine flächendeckende, qualitativ hochwertige Kinderbetreuung. Hier ist die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen zu schaffen – und zwar rasch und für alle leistbar. Es wird viel Geld für Unsinnigkeiten ausgegeben, an dieser Stelle wäre es nachhaltig und richtig eingesetzt. Die Familienstrukturen haben sich stark verändert. Die klassische Großfamilie gibt es kaum noch, wo Kinder wie auch ältere Menschen im häuslichen Umfeld betreut werden können. Die Entscheidung für Kind und Karriere bzw. Job darf im 21. Jahrhundert nicht mehr davon abhängen, ob eine Kinderbetreuung gewährleistet ist. Es braucht auch ein Umdenken in der Gesellschaft. Eine Mutter, die arbeitet, ist keine schlechtere Mutter. Die Kinder nehmen keinen Schaden, wenn die Mutter sie nicht 24/7 selbst umsorgt.

Krenn: Genau darum geht es: Frauen müssen einfach die Wahlmöglichkeit haben! Nicht mehr und nicht weniger.

Wilding: Wie Sie richtig sagen: Die Kinderbetreuung muss nicht nur flächendeckend und flexibel sein, sondern auch qualitativ hochwertig. Damit meine ich die Neudefinition des Betreuungsschlüssels ebenso wie die Ausbildung der Kinderkrippen- bzw. Kindergartenbetreuerinnen und -betreuer. Diese ist meines Erachtens dringend im tertiären Bildungssektor anzusiedeln.


Müssen sich Frauen mehr anstrengen, um in Führungspositionen zu gelangen?
Zechner: Nachdem wir hier diesen Roundtable haben, vermutlich ja. Frauen müssen sich generell mehr zutrauen. Aber auch hier wieder: Mit betreuungspflichtigen Kindern ist das eine sehr große Herausforderung. Das Amt der Fachgruppenobfrau, wenn Sie das so sehen wollen, ist eine Führungsposition, die ich seit nunmehr fast elf Jahren innehabe. Mein Fachwissen und mein Engagement waren hier sehr hilfreich, aber mein Standing musste ich mir hart erarbeiten. Mir ist wichtig, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen haben und nicht nach Geschlecht entschieden wird, sondern nach Qualifikation.

Wilding: Ich bin seit 17 Jahren im Unternehmen, davon das neunte Jahr im Vorstand. Erfolg basiert in den seltensten Fällen auf dem Zufallsprinzip, vielmehr muss man(n) – und hier meine ich tatsächlich Männer und Frauen – die berühmte Bereitschaft zur Extrameile unter Beweis stellen. Als Frau – gerade in der Industrie – ist diese Extrameile nochmals ein Stück länger. Und dies bedeutet doch ein erhebliches Maß an Kompromissbereitschaft im privaten Bereich. Ich bin seit Jahren die einzige Frau in der oberen Führungsebene – und das obwohl ich den Personalbereich verantworte. Daher werde ich oft gefragt, ob ich Frauen diskriminiere. (lacht) Die Antwort ist: Es bewirbt sich schlichtweg niemand. Ich würde aber auch keiner Frau den Vorzug geben, wenn ein Mann dem Anforderungsprofil besser entspricht. Das wäre ja umgekehrte Diskriminierung.

Cisar-Leibetseder: Auf der beruflichen wie auf der privaten Ebene die Balance zu finden war auch für mich nicht immer einfach. Ich habe eine Tochter – sie ist heute 25 – und musste beides, Job und Familie, irgendwie managen. Ich bin seit 27 Jahren in der Volksbank und habe damals in Köflach in der Volksbank Südweststeiermark begonnen. Relativ knapp danach – zwei, drei Jahre später – zeichnete sich bereits ab, dass ich dort eine Bereichsleitung übernehmen könnte. Da der Vorgänger noch eine Weile blieb, ging sich das mit der Familienplanung vorher noch gut aus. Zudem hatte ich das Glück einer unterstützenden Familie und einen Partner, dem immer klar war, dass wir das gemeinsam machen. Tagsüber gab ich das Kind meiner Mutter, aber nie länger als acht Stunden. Deshalb war ich immer konsequent: In acht Stunden musste die Arbeit fertig sein! Dann bin ich rasch nachhause und war die restliche Zeit ganz Mutter. Schließlich wurde aufgrund mehrerer Fusionen aus der kleinen regionalen südweststeierischen Volksbank 2016 die Volksbank Steiermark und ich bin in die neue Zentrale nach Graz übersiedelt – schon mit der Perspektive Richtung Vorstandsposition. So ist es auch gekommen – aber auch hier, weil ich bereit war, die Extrameile zu gehen. Ohne diese geht es nicht.

Wilding: Wenn wir den jüngsten Studien Glauben schenken, stellen sich zusätzliche neue Herausforderungen: Demzufolge scheint sich teilweise eine Glaubenshaltung zu entwickeln, die ein Gesellschaftsideal der 50er Jahre propagiert, welches vor allem Frauen – mit guter Ausbildung – in alte Rollenbilder drängt: Kinder statt Karriere, Mutter statt Managerin, Wunsch nach Teilzeit etc. Ich halte diese Entwicklung, selbst wenn ich sie bisher nicht flächendeckend beobachten kann, für problematisch, da die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern darunter leiden wird.


Krenn: Oder sie eröffnen das Gespräch gleich mit dem Wort „Teilzeit“, weil – so heißt es oft – sie möchten sich nicht ins Burnout arbeiten. Das zieht sich nach meiner Wahrnehmung seit Beginn der Pandemie durch die gesamte Gesellschaft: Die Belastungsgrenze ist deutlich gesunken. Auch das Streben nach einer Führungsposition erkenne ich immer seltener. Das ist eine große Herausforderung für den Arbeitgeber bzw. das mittlere Management. Große Flexibilität ist hier gefragt.

Cisar-Leibetseder: Ich habe aber auch immer wieder mit Männern zu tun, die nur mehr Teilzeit arbeiten möchten – das Thema ist also nicht frauenspezifisch. Da kommen junge Männer bei der Tür herein und man denkt, die stehen am Beginn ihrer Karriere und haben einiges vor, und sagen dann: Drei Tage sind genug!

Zechner: Alle wollen die vielstrapazierte Work-Life-Balance. Dabei wird oft übersehen, dass es für Teilzeitarbeit dann leider auch nur Teilzeitarbeitslosengeld, Teilzeitkrankengeld, Teilzeitpension gibt – um es einfach zu formulieren. Wenn schon Teilzeit oder geringfügig, dann bitte wenigstens nach §19a die Vollversicherung von weniger als 100 Euro im Monat einzahlen, sodass im Notfall nicht auch noch das Geld fehlt. Die demografische Entwicklung birgt große Gefahren für den Wirtschaftsstandort – es fehlt mittlerweile an allen Ecken und Enden an Mitarbeitern. Für mich stellt sich die Frage, wie wir es schaffen, Menschen die Freude am Arbeiten zurückzubringen. Und zwar Männern und Frauen.

Cisar-Leibetseder: Es hilft uns nichts, wenn wir als Unternehmen versuchen, gegen den Strom zu schwimmen. Wenn die Anforderungen des Arbeitsmarktes heute andere sind als vor 20 Jahren, müssen wir uns anpassen. Die Mitarbeiter haben ihre Wünsche und ihre Vorstellungen. Wir in der Volksbank Steiermark versuchen es über Differenzierung – konkret über eine gut gelebte Unternehmenskultur. Wir haben beispielsweise vor zwei Jahren die Du-Kultur eingeführt – das gilt für jeden Mitarbeiter vom ersten Tag weg, vom Jobeinsteiger bis zum Vorstandsdirektor sind alle miteinander per Du. Das hat sich super bewährt und ist gerade für junge Mitarbeiter ein Asset. Damit können wir uns differenzieren – im Bündel mit anderen Maßnahmen wie flexible Arbeitszeiten, Teilzeitvereinbarungen, Remote Work-Möglichkeiten und Ähnlichem.

Wilding: Ich bin davon überzeugt, dass wir uns an die Anforderungen der zukünftigen Arbeitnehmergeneration anpassen müssen und nicht dogmatisch am Status quo festhalten dürfen. Arbeitsformen und Arbeitswelten sind neu zu denken und zu bewerten. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Arbeitszeitmodelle der Zukunft höchst individuell sein werden und an die jeweilige Lebensphase der Mitarbeiter angepasst sind. Das aktuell heiß diskutierte Thema der Vier-Tage-Woche muss auf einer sachlichen Ebene diskutiert werden, wobei die Idee einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich meines Erachtens in die falsche Richtung geht.

Cisar-Leibetseder: Es gibt ja verschiedene Lebensphasen – gerade Frauen kennen das: Die Aufbauphase, wo alles geht, dann die Phase der Familiengründung und der Kinder, wo man sich ein bissl zurücknimmt, damit man die Balance für beides herstellen kann. Und wenn die Kinder dann aus dem Gröbsten draußen sind, beginnt wieder eine Phase mit anderen Präferenzen. Und auf alle diese Zyklen müssen wir uns einstellen und die entsprechenden Angebote schaffen.

Wilding: Ich bin ebenso der Meinung, dass sich Arbeitszeit- sowie Einkommensmodelle an den Bedürfnissen der jeweiligen Lebensphase ausrichten sollten. So hat beispielsweise der junge Berufseinsteiger ganz andere Bedürfnisse als jemand, der bereits seit zwanzig Jahren im Berufsleben steht. Da ist viel im Umbruch und die Verantwortlichen im Bereich Human Relations sind gefordert. Weil am Ende des Tages macht – noch immer – nicht die Maschine den Unterschied, sondern der Mensch. Wir haben eine relativ geringe Fluktuation, weil Sattler eine hohe Unternehmenskultur hat und sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema Human Relations beschäftigt. Allerdings beobachten auch wir seit der Pandemie ein Ansteigen der Fluktuation.

Loidl: Vergangene Woche hatte ich ein Bewerbungsgespräch mit einer Frau in meinem Alter. Als sie sagte, dass sie 40 Stunden arbeiten will, war ich direkt überrascht! (lacht) So selten ist das mittlerweile. Ich meine: Wenn man wirklich weiterkommen will, dann wird das mit einem 30 Stunden Job ohnehin nicht klappen – damit erreicht man keine Führungsposition.

Krenn: Wir versuchen natürlich auch den jungen Müttern eine Führungsposition schmackhaft zu machen. Gerade im therapeutischen Bereich funktioniert das, da wir unterschiedliche Arbeitszeitmodelle anbieten. Wir müssen ja den Therapiebetrieb sechs Tage die Woche aufrechterhalten. Würden wir hier nicht flexibel sein, wäre die Abwanderung in die Selbstständigkeit groß.

Wie wichtig sind spezielle Angebote für junge Mütter?
Krenn: Eine gute Wiedereinstiegskultur mit intensiver Begleitung und entsprechender Kommunikation ist enorm wichtig. Das haben wir in unterschiedlicher Form je nach Bereich – wir haben ja von der Reinigungskraft bis zu den Medizinern über 40 Berufsgruppen in unserem Betrieb. Für Frauen, die aus der Karenz zurückkommen, müssen vor allem die Arbeitszeiten und Bedingungen gut passen – sie müssen sich gut aufgehoben fühlen. Auch Fortbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, Dienstzeiten sowie Gehalt – es geht um einen bunten Blumenstrauß für junge Frauen, die wieder einsteigen. Entscheidend dabei ist, dass man bereits vorab, bevor sie in Mutterschutz gehen, alles gut vorbereitet und vereinbart.

Wie attraktiv ist das technische Segment für Frauen?
Loidl: Wir dürfen stolz sagen, dass wir bei uns im Technischen Büro TeLo mehr als 50% Frauenanteil haben, obwohl man dazu sagen muss, dass diese 50 % eher Assistentinnen sind bzw. auf den klassisch kaufmännischen Bereich entfallen. Auf der technischen Projektleiterebene schaut das schon wieder anders aus – hier überwiegen die Männer. Aber ich bin zuversichtlich, dass der Frauenanteil auch in diesem Bereich steigt. Generell sind wir stolz auf unsere gemischt geschlechtliche Unternehmenskultur. Unsere technischen Assistentinnen sind auch wirklich auf Zack, ohne sie würde das Büro nicht laufen. Der einzige Unterschied: Sie wollen nicht alleine und projektverantwortlich zum Kunden rausfahren – dadurch ist die Karriereleiter natürlich ein wenig begrenzt. Aber spannend ist es natürlich gerade beim Kunden draußen – in den Industriebetrieben vor Ort. Und da trifft man sich nicht im schicken Besprechungsbüro, sondern im Industriewerk, oft buchstäblich unter einer Rohrleitung in irgendeinem tiefen Keller, in voller Sicherheitskleidung. Ich bin mir sicher, dass die Mehrheit der Frauen das nicht will. Und das ist auch in Ordnung so. Es ist aber ein Grund, warum ich glaube, dass es in der Industrie nie gleich viele Führungspersönlichkeiten bei Frauen wie bei den Männern geben wird. Es ist auch nicht jederfraus Sache, einen Besprechungsraum mit zwanzig „gestandenen Männern“ zu betreten und dort seine Position zu behaupten.

Wie ist es Ihnen dabei am Anfang ergangen? Gab oder gibt es scheele Blicke?
Loidl: Das ist ganz klischeehaft. Wenn ich mit einem Projektleiter, einem Mann, zum ersten Mal einen Kunden besuche und den Besprechungsraum betrete, dann ist es für die meisten klar: Ich bin die Sekretärin. (lacht). Das ist der Klassiker.

Krenn: Ich bin auch für viele, die mich nicht kennen, oft einmal automatisch der Herr Mag. Krenn. (lacht)Das erlebe ich in Emails oder bei Anrufen immer wieder, wenn nach einem Herrn Michael Krenn gefragt wird.

Zechner: Als wir vor fast vier Jahrzehnten den Familienbetrieb meines Mannes übernommen haben, übernahm ich auch den Part des Verkaufs. Eine Novität in unserer Branche: Eine junge Frau macht sozusagen den Außendienst und verkauft Schnittholz. Man hat mich schon auf mein Fachwissen hin abgeklopft, ich musste in allen fachlichen Bereichen firm sein. Aber nachdem ich diese Prüfung bestanden hatte, war ich anerkannt – und es war dann selbstverständlich, dass für unseren Betrieb eine Frau Holz verkauft.

Loidl: Ich bin mir nicht sicher, wie viel sich seither verändert hat. Es gibt Situationen, wo man sich als Frau im Verhalten anpassen muss. So habe ich lernen müssen, dass – wenn ich irgendwo reingekommen bin und mich an einen Besprechungstisch gesetzt habe – dass ich nicht gleich anfange, den anderen Kaffee einzuschenken. Nur weil man es so gewohnt ist und es zuhause auch so macht. Denn das wird dann in so einer Situation allzu leicht falsch aufgefasst.

Widing: Für mich ist dies kein Thema, an dem ich die Genderdiskussion festmache, sondern eher eine Frage der Höflichkeit. In unserem Unternehmen spielt es dabei keine Rolle, ob Mann Frau oder Frau Mann bewirtet. Im Übrigen halte ich es auch nicht für zielführend, wenn Frauen versuchen, die „besseren Männer“ zu sein, deren Verhalten kopieren und bewusst versuchen, typisch männliche Eigenschaften an den Tag zu legen. Frauen sind anders als Männer, sie sind nicht gleichartig, und dies ist auch gut so, da Diversität in unserer Gesellschaft eine Bereicherung darstellt. Allerdings sind sie gleichwertig – und hier liegt noch ein langer Weg vor uns.

Loidl: Ich glaube auch, dass man sich die Eigenschaften auf gar keinen Fall abtrainieren sollte. Aber es gibt eben Verhaltensweisen, die eine Gleichstellung symbolisieren und darum glaube ich, ist die Kaffeefrage nicht ganz unerheblich, weil man automatisch für die Assistentin gehalten wird. Vor allem beim Erstkontakt – wenn die Runde passt und man regelmäßig beim Kunden ist und sich schon kennt, ist das alles natürlich kein Thema mehr. Generell darf man als Frau in dieser Branche ohnehin nicht allzu empfindlich sein – das ist klar. Natürlich sollte man auch nicht anfangen, weibliche Eigenschaften abzulegen. Im Gegen-teil, man sollte die Benefits weiblicher Stärken auch einsetzen. Ein Beispiel: Wir sind ja in der Sicherheitstechnik tätig und kommen immer wieder nach schweren Unfällen in ein Werk, manchmal auch mit Todesfolge. Dann ist es durchaus ein Vorteil, wenn man dort als Frau hinkommt und auf einer ganz anderen Ebene mit den Menschen kommuniziert.

Oft heißt es, Männer sind die besseren Netzwerker. Stimmt das?
Krenn: Gerade zu Beginn meiner beruflichen Lauf-bahn habe ich das auch bemerkt. Männer sind unheimlich gut vernetzt, sie gehen auf das After-Work-Bier und nennen es „Termin“ (lacht), sind alle per Du, rufen sich gegenseitig an, wenn es wo brennt. Frauen versuchen tendenziell eher alles allein zu stemmen. Aber ich erkenne ein Umdenken – Gott sei Dank hat sich das verändert. Denn ich hatte immer das Gefühl, Frauen gönnen einander weniger. Bei Männern habe ich immer den Eindruck, dass sie sich gegenseitig fördern – aber auch mich haben sie zum Glück gefördert. Frauen, die Frauen fördern sind oft noch eine Ausnahme. Ich würde mir wirklich wünschen, dass im Sinne einer gleichberechtigten Zukunft noch mehr Frauen andere Frauen fördern. Wir, die hier sitzen, sind die, die vorzeigen, wie es geht!

Cisar-Leibetseder: Ich bin kein Fan von geschlechterspezifischen Netzwerken, also reine Frauenrunden oder reine Männerrunden. Das vermeide ich auch bei mir in der Bank. Wenn wir unsere Neueinsteiger fördern, dann will ich keine Frauenclique oder Männerclique – sondern gemischte Teams. Jede und jeder hat seine Stärken und wir können nur voneinander lernen.

Zechner: Netzwerken ist etwas, was automatisch passiert, wenn man empathisch, kommunikativ und weltoffen ist. Netzwerke waren immer schon wichtig, früher verwendete man halt andere Namen dafür. Ja, wenn ich die Möglichkeit habe, unterstütze ich gerne Frauen, aber auch Männer, denn ich bin angeblich eine gute Netzwerkerin. (lacht)

Cisar-Leibetseder: Was man nie ganz vergessen darf, ist, dass der Großteil der Familienarbeit emotional gesehen immer noch bei den Frauen liegt. Frauen sind einfach der Ansicht, dass sie für den Haushalt, die Kinder, den Mann, das heißt für alles zuständig sind und müssen nebenbei auch noch irgendwie einen Job machen. In Wirklichkeit funktioniert es aber nicht so, sondern es kann nur gemeinsam gehen.

Krenn: Ganz genau! Aber man muss auch ehrlich sein: Nicht jeder Mann hält sich dafür für geeignet. Da braucht es kontinuierliche Überzeugungsarbeit, die früher oder später sicher greift.

Cisar-Leibetseder: Richtig, wir alle brauchen starke Männer an unserer Seite, die hinter uns stehen und uns unsere Erfolge auch gönnen können. Sonst geht es nicht.

Die wichtigste Botschaft?
Loidl: Ich finde, Chancengleichheit ist meiner Ansicht nach heute bereits gegeben. Meine Geschichte ist auch Beleg dafür. Schließlich bin ich selbst Quereinsteigerin. Mein Kindheitstraum war Tierärztin, ich habe fünf Jahre Veterinärmedizin studiert. Als es um die Firmennachfolge ging und mein jüngerer Bruder keinerlei Interesse zeigte, habe ich einen Schwenk Richtung Technik vollzogen. Ich habe Angewandte Elektronik im Bachelor studiert und jetzt gerade den Master in „Safety Systems Engineering“ abgeschlossen. Ich hatte davor Null Ahnung von Technik bzw. von Elektronik – entsprechend hart war der Umstieg. Die ersten Prüfungen habe ich alle versemmelt – umso mehr habe ich mich danach voll reingekniet, ein Dreivierteljahr hab ich praktisch im Labor gewohnt, um das HTL-Wissen in kürzester Zeit nachzulernen. Daher meine ich: Jede Frau kann jede Schule besuchen, jedes Studium machen, sich um jeden Job bewerben. Den Unterschied macht, wie erwähnt, diese Extrameile, die einfach notwendig ist, wenn man etwas erreichen will.

Wilding: Wir haben heute mehr Studienabsolventinnen als Absolventen, trotzdem kommen diese am Arbeitsmarkt nicht an, d.h. wir verzichten auf ein riesiges Potential an qualifizierten Arbeitskräften. Was sind die Ursachen dafür, wo setzen wir hier an? Das Thema ist vielschichtig und muss dennoch pragmatisch diskutiert werden. Es geht dabei um unser Verständnis von Gesellschaft und Familie, um tradierte Rollenbilder, um Infrastruktur im Bereich der Kinderbetreuung, um Wahlfreiheit von Frauen etc. Was ich Frauen empfehlen würde? Mut, Selbstvertrauen, aber auch Leistungsbereitschaft und Disziplin und natürlich ein wenig Glück!

Cisar-Leibetseder: Ich kann das nur unterstreichen: Wenn man will, kann man alles erreichen und beides haben, Familie und Karriere! Entscheidend sind das Time-Management und das Teamwork mit dem Partner – dann gelingt es definitiv!

Fotos: ISTOCK, OLIVER WOLF

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