Spirit of Styria

Schönheitsidealfreies SCHLAPFENWETTER IN 4D

Die Künstlerin Nicole Wogg verbindet ihre collagenartigen Bleistiftzeichnungen und Acrylmalereien mit Augmented Reality, um Zweidimensionales räumlich zum Leben zu erwecken. Nicht minder aufgeweckt erzählt uns die Kosmopolitin im Gespräch von der Suchtgefahr und Hohlheit von Social Media, dass Sie in ihrer Kunst bewusst mit Schönheitsidealen bricht, warum Animation Fluch und Segen zugleich ist und warum Surrealismus für sie immer mit Formen zu tun hat.

„Nur die, die das Absurde versuchen, werden das Unmögliche erlangen“, zitiert die Grazer Künstlerin Nicole Wogg auf ihrer Webseite eines ihrer großen Idole – den niederländischen Grafiker M.C. Escher. Die Künstlerin verschrieb sich in ihrer Kunst schon in jungen Jahren dem Absurden: In ihren Portraits und realistischen Abbildern stehen dabei vor allem die Conditio Humana, früher vielfach auch architektonische Werkserien, im Vordergrund.
Das Abstrakte dabei? „Das zeigt sich für mich am allermeisten in Formen“, erklärt Wogg, die in Collagen analoge Arbeitsformen wie Blei- und Farbstiftzeichnungen und Acryl-Malerei in gedeckten, kräftigen Farben mit digitalen Gestaltungsformaten verwebt.

VOM ZWEI- INS DREIDIMENSIONALE
„Zwar ist mir das Haptische meiner Bilder wichtig, aber mir gefällt es, etwas Zweidimensionales über Augmented Reality am Computer in den dreidimensionalen Raum treten zu lassen. Das kommt wahrscheinlich daher, dass ich ursprünglich aus der Bildhauerei komme. Nur habe ich im Digitalen den Vorteil, meine Arbeiten nicht platzintensiv verstauen zu müssen, sondern einfach abspeichern zu können“, lacht Wogg.

NICOLE WOGG
geb. 1986, aufgewachsen in Leibnitz, lebt und arbeitet in Graz

Meisterklasse Malerei an der Ortweinschule Graz
Abschluss an der Universität für angewandte Kunst Wien bei Christian 
Ludwig Attersee und Judith Eisler
Malerei, Animationsfilm und Tapisserie Auslandsjahr an der HKU 
University of the Arts Utrecht in den Niederlanden
Red Carpet Art Award, Nominierungen für den Strabag Award und Walter 
Koschatzky Award, Ankauf in die Sammlung des Bundeskanzleramtes. 
Einzel- und Gruppenausstellungen im Inland (u.a. UMJ Graz, MAK Wien uvm.) bis hin zu diversen Ausstellungen und Kunstmessen im Ausland, u.a. in Berlin, 
Warschau und Paris

In aufwändigen Collagen, die teils ausgestellte, minimalistische Gesichts- und Körperpartien andeuten – disproportional, verschoben und vage – zeichnet und klebt Wogg ihre Grundmotive auf unterschiedliche Papierschichten, die sie, in Teile geschnitten, später in den dreidimensionalen Raum zieht. Die dadurch wie Puzzleteile eines Hauptmotivs im Raum stehenden Parts erzeugen einen räumlichen Eindruck, der mithilfe der App „Arvive“ eine völlig neue Sichtweise auf Collagen in 4D erlaubt. In oft wochenlanger, anstrengender Arbeit fügt die Surrealistin am Computer eine zusätzliche, vierte Dimension hinzu: „Ich erwecke meine Skizzen so zum Leben – mithilfe eingespielter Videos blinzeln meine Models mit den Augen, ich kann unterschiedliche Gesichtsausdrücke und Gesten zeigen. Das kommt bei den Leuten gut an und hat sogar während Corona die Leute vom Sofa in meine Ausstellungen gelockt. „Nur stelle ich mir trotzdem die Frage, ob Augmented Reality Fluch oder Segen ist? Ich kam mehr und mehr drauf, dass die Leute nur die Animationen sehen, aber nicht die Werke dahinter, dass die digitalen Bewegtbilder von der eigenen, eigentlichen Arbeit ablenken. Und mir ist das, was meine Arbeit aussagt und nach außen zeigt, welche Materialien ich verwende, sehr wichtig, es macht meine Handschrift aus“, betont Wogg.

ORGANISCHE FORMEN OHNE ZUSCHREIBUNGEN
Dass sich Wogg mit Oberflächlichem nicht zufriedengibt, zeigt die zugrundeliegende Aussage ihres Schaffens. Im Zentrum stehen das Zeitgeschehen und die surreale Verzerrung desselben auf kreative Weise. Waren es früher hauptsächlich Architekturmotive – inspiriert etwa durch ihre Zeit, als sie in den Niederlanden auf einem Hausboot wohnte – hat sie das aufgrund der Pandemie gänzlich hinter sich gelassen, „um mich nicht noch mehr eingesperrt zu fühlen, wenn ich ständig nur Mauern zeichne“.

„Mir ist das Haptische
meiner Bilder wichtig,
aber mir gefällt es,
etwas Zweidimensionales
über Augmented Reality
in den dreidimensionalen
Raum treten zu lassen.“

NICOLE WOGG
KÜNSTLERIN

Ihre jüngsten Bilder zeigen organische Formen, Körper, Menschen. Das Aufällige daran: Es finden sich ausschließlich weibliche Gesichter und Silhouetten aus der Modeindustrie wieder, wie man sie aus Frauenzeitschriften kennt. „Während der Pandemie bin ich Social Media süchtig geworden, weil man ja die eigenen vier Wände nicht verlassen konnte. Schnell merkte ich, was für ein komischer Schönheitswahn im Gange ist, mit aufgespritzten Lippen und einer noch krasseren Idealisierung des Körpers, wie man es bisher gewohnt war. Es ist ein alter Hut, dass jedes Jahrhundert sein eigenes Schönheitsideal hatte, nur irgendwie ist der Körper heute selbst zu Fast Fashion geworden, und es ändert sich schon im Monatstakt, welches Körperteil groß oder klein zu sein hat.“

Mit diesen unerreichbaren, gängigen Schönheitsidealen will Nicole Wogg brechen. Auch, um Verantwortung gegenüber ihrem jüngeren Publikum zu tragen, das ihr auf Social Media folgt. „Um ihnen zu zeigen, dass diese Trends nicht gesund sind und dass es nicht nur diese Idealkörper zur Beautyindustrie gibt, sondern dass man sich mit unterschiedlichsten Formen identifizieren kann und darf“, so Wogg, die hinzufügt: „Ich begann deshalb damit, in meinen Bildebenen ausschließlich fragmentarische Formen stehen zu lassen, Körperhaltungen zu zeigen, verdeckte Augen, und in meinen Collagen zum Beispiel oft nur die Hände in Bewegungsgesten abzubilden. Hände besitzen ja ihre eigene Sprache und sind meiner Meinung nach nicht schönheitsidealgebunden“, schmunzelt Wogg, die sich wünschen würde, dass jeder das Leben etwas relaxter sehen würde: „Aus diesem Grund habe ich auch ganz bewusst entspannte Serien wie z.B. „Schlapfenwetter, Sonne und Meer“, die was Schiarches zeigen: Füße in Schlapfen“, lacht Wogg.

Holidays in a jar

LIEBER PERSÖNLICH
Inspiration holt sich Wogg unter anderem dort, wo Füße in Schlapfen in großer Zahl anzutreffen sind: im Urlaub. „Das hört sich kitschig an, aber wenn man auf Urlaub ist, mit anderen Leuten redet und aus dem gewohnten Umfeld heraustritt, kommen einem neue Ideen, die bei mir immer visuell entstehen“, sagt die Künstlerin, deren Terminkalender ständig voll ist. „Ich biete in meinem Atelier für Kleingruppen Workshops in den Bereichen ‘Collage’ und ‘Augmented Reality’ an.“ Dort zwischen Skizzen, Skulpturen und Zeichenmaterial – ist Nicole Wogg auch meistens anzutreffen, wenn es nicht gerade regnet oder schneit. „Ständig im Homeoffice vorm Computer zu sitzen, wäre mir ein Graus. Ich muss in Bewegung bleiben und bin auch gerne unter Menschen.“

Neben ihrer Präsenz auf Social Media sind ihr vor allem Ausstellungen die wichtigste Präsentationsfläche, „weil ich mir Face-to-Face leichter tue und fast ausschließlich über Vernissagen Bilder verkaufe“. Aktuell sind mehrere Ausstellungen geplant, u.a. in Wien, wo Augmented Reality wieder groß im Fokus sein wird. Wo Besucher an Orte geführt werden, wo sich Realität und Phantasiebilder treffen, wo im Surrealen gängige Zuschreibungen neu überdacht und mit einer Prise Absurdität aus der gesellschaftlichen Normung gehoben werden. Ergo jene große Kunst, die Nicole Wogg so meisterlich beherrscht.

Die Website der Künstlerin:
www.nicolewogg.com

Nicole Wogg wird vertreten
durch die Galerie Grill in Graz:
www.galeriegrill.com

Atelierhaus Tagger in Graz

Fotos: Oliver Wolf

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