Spirit of Styria

Mobile Visionen: TECHNOLOGIEOFFEN IN DIE GRÜNE ZUKUNFT

Mobilität als Teil der Lösung: Wie kann sich das Rückgrat der steirischen Wirtschaft – der Mobilitätssektor – in Zeiten der größten Umbrüche seiner Geschichte behaupten? Ist das Rennen um das Antriebssystem der Zukunft bereits entschieden? Und in welchen Schlüsseltechnologien ist die Steiermark führend? „SPIRIT of Styria“ machte sich auf Spurensuche und fand in allen drei Mobilitätsbereichen des ACstyria – Automotive, Rail und Aerospace – spannende Antworten auf die großen Fragen der Zeit.

01 / AUTOMOTIVE TECHNOLOGIEMIX AUF DER ÜBERHOLSPUR

Ein Zufall mit Symbolkraft. Im April diesen Jahres verlautbarte Magna-Steyr die Auslieferung des 500.000sten Mercedes G, der in Graz-Thondorf vom Band lief. Fast zeitgleich sickerte durch, dass ab 2024 auch die die elektrische G-Klasse (EQG) in Graz produziert wird. Eine Ikone der Mobilität mit ausgeklügelter Verbrennungskrafttechnik goes batterieelektrisch – ein Sinnbild für die automobile Zeitenwende? Seit Jahren schwören sich Politik und Industrie auf das Strom-Zeitalter ein und stellen alle Weichen auf EMobilität, zuletzt verpasste die EU dem Verbrennungsmotor ein viel diskutiertes Ablaufdatum. Ab 2035 gilt das Aus für Benzin- und Diesel-Neuwägen – ausgenommen synthetische Kraftstoffe (E-Fuels).

Ist damit das letzte Wort für das Antriebssystem der Zukunft gesprochen? Nicht ganz so überzeugt von der totalen Fokussierung auf den battterieelektrischen Antrieb zeigt sich Helmut Eichlseder, Vorstand des Instituts für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme der TU Graz. „Erst in jüngster Zeit ist mit dem Thema E-Fuels etwas Bewegung in die Diskussion gekommen – darin sehe ich eine vernünftige und absolut notwendige Ergänzung des Antriebsportfolios“, so der Experte. Sein Hauptargument: „Elektrischen Strom unabhängig von der Erzeugung als CO2-frei zu bewerten, ist technisch falsch und irreführend – ebenso wie die Ausblendung des Erzeugungspfades von Kraftstoffen.“ Schlussendlich sei nicht der Energiewandler – also E-Motor, Verbrennungsmotor oder Brennstoffzelle – entscheidend, sondern der Energieträger, der zum Einsatz kommt. „Für klimaverträgliche Mobilität braucht es erneuerbare Energie als Basis. Und dafür kommen nicht nur batterieelektrische Antriebe, sondern auch Brennstoffzellen und E-Fuels in Verbrennungsmotoren in Frage – jeweils mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen.“ Die wirkungsgradgünstigste Technologie sei zwar die batterieelektrische – solange die Speicherdichte von Strom ausreicht und dieser erneuerbar direkt verwendet werden kann. „Allerdings wird dies auf absehbare Zeit nicht möglich sein, da Strom in Österreich zwar zu 76 Prozent erneuerbar bereitgestellt wird, aber eben nicht immer dann, wenn benötigt – Stichwort saisonale Schwankungen und Dunkelflaute.“

„Es gibt im Rennen um klimaverträgliche Mobilität nicht einen Sieger, sondern die Notwendigkeit zur Nutzung aller Technologien“, Helmut Eichlseder, Vorstand des Instituts für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme der TU Graz

Umgekehrt haben E-Fuels zwar einen schlechteren Wirkungsgrad als die direkte Nutzung von Strom, so Eichlseder. „Das wird aber dadurch relativiert, dass der ,Erntefaktor‘ bei Wind- oder Solaranlagen in begünstigten Weltregionen um den Faktor zwei bis drei höher ist.“ Dazu komme, dass Langstrecken-Nutzfahrzeuge nicht in der Lage sein werden, so rasch auf batterieelektrische Antriebe umzustellen. „Hier wird Wasserstoff eine ganz wesentliche Rolle spielen“, so Eichlseder, der dafür plädiert, die klimarelevanten Emissionen stets über den gesamten Lebenszyklus zu betrachten – von der Produktion über den Gebrauch bis zur Entsorgung. „Das findet derzeit noch keinen Niederschlag in der Gesetzgebung“, so der Experte. Sein Resümee: „Ich sehe im Rennen um eine klimaverträgliche Mobilität nicht einen Sieger, sondern die Notwendigkeit zur Nutzung aller Technologien – stets abhängig von der Anwendung oder dem Nutzerprofil. Wir werden parallel alle technologischen Möglichkeiten – batterieelektrische Fahrzeuge, Brennstoffzellen und E-Fuels – einsetzen müssen, um in der erforderlichen Geschwindigkeit klimarelevante Emissionen zu senken.“

„Elektrisch und mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge können – unter bestimmten Voraussetzungen – dazu beitragen, den CO2-Ausstoß im Verkehrssektor zu reduzieren“, betont auch Thomas Krenn, Geschäftsführer des AC Styria. „Dasselbe gilt allerdings auch für Verbrennungskraftmaschinen. Denn diese können etwa mit entsprechenden Optimierungen oder unter Anwendung von E-Fuels ebenso zu einer Verkehrswende beitragen.“ Denn klar sei, dass es künftig für unterschiedliche Anwendungszwecke unterschiedliche Antriebstechnologien brauchen werde. „LKW auf der Langstrecke haben andere Voraussetzungen als PKW für zumeist kurze Alltagsfahrten – ebenso Baufahrzeuge oder der Flugverkehr. Als Mobilitätscluster ist für uns entscheidend, dass klimapolitische Maßnahmen Spielraum für verschiedene technologischen Optionen einräumen sollten, um Treibhausgasemissionen zu vermeiden. Unsere Unternehmen sind bestrebt, die Transformation aktiv mitzugestalten – viele sogar in führender Rolle.“ Dass die Steiermark den aktuellen Wandel nicht fürchten muss, bestätigt auch Eichlseder: „Gerade in der Kooperation von Forschungsinstitutionen mit dem starken industriellen Umfeld sehe ich die Entwicklung von zukunftsträchtigen Technologien als enorme Chance für den Automotive-Standort Steiermark.“

ACstyria Mobilitätscluster
Der Cluster repräsentiert ein Netzwerk von über 300 Unternehmen in den Bereichen Automotive, Aerospace und Rail Systems – mit über 70.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Gesamtumsatz von mehr als 17 Milliarden Euro. Kernleistung des seit 1995 bestehenden Clusters ist die Vernetzung und Unterstützung steirischer Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Er versteht sich dabei als Bindeglied zwischen Wirtschaft, Industrie, Forschung und öffentlichen Einrichtungen.

Impulsgeber & Transformationsbegleiter
Der ACstyria begleitet den derzeit stattfindenden Transformationsprozess in der Mobilitätsindustrie und fungiert als Impulsgeber für Unternehmensstrategien, Innovation sowie bei der Entwicklung und Ausrichtung neuer Geschäftsmodelle. Dazu legt die ACstyria Academy einen Fokus auf gezielte strategische Weiterbildung in Zukunftsfeldern der Mobilität.

Dabei setzt der ACstyria auf folgende fünf Zukunftsthemen: Innovative Antriebs- und Fahrzeugkonzepte, Autonome Systeme Mobilitäts-Services, Decarbonized Value Chain; Digitalisierung und digitale Geschäftsmodelle F&E-Quote der Betriebe im Schnitt: 12 %; Gesellschafter: AVL, Magna, Pierer Mobility 
AG, voestalpine, SFG, TCM und Spring Components

Am HyCentA forschen rund 40 führende nationale und internationale wissenschaftliche Partner und Unternehmen an Wasserstofftechnologien.

„Grüner Wasserstoff ist Teil der Lösung für ein klimaneutrales Energiesystem“, Alexander Trattner, wissenschaftlicher Leiter des COMET K1-Zentrums HyCentA.

WASSERSTOFF – DER STOFF DER ZUKUNFT?
Eine dieser schlagkräftigen Forschungseinrichtungen ist das HyCentA der TU Graz, Österreichs erstes und einziges rein auf Wasserstoff spezialisiertes Forschungszentrum. „Wir wollen die nachhaltige Wasserstoffgesellschaft wesentlich voranbringen, denn grüner Wasserstoff wird Teil der Lösung für ein klimaneutrales Energiesystem sein“, ist Alexander Trattner, wissenschaftlicher Leiter des COMET K1-Zentrums, überzeugt. „Aktuelle Studien gehen davon aus, dass Wasserstoff einen weltweiten Anteil im Energiesystem 2050 zwischen 10 und 14 Prozent haben wird. Wasserstoff ist ein vielseitiger Energieträger – er wird als Ausgangsstoff in der Industrie ebenso eingesetzt, wie bei der Verbrennung für Hochtemperaturprozesse oder kann in Brennstoff-zellen emissionsfrei in Strom und Wärme gewandelt werden.“ Schwerpunkt des 80-köpfigen Teams ist die umfassende Erforschung der besonders zukunftsrelevanten Wasserstofftechnologien Elektrolyseure, Speichersysteme und Brennstoffzellen. „Zudem widmen wir uns nun auch verstärkt der gesamthaften Betrachtung von Wasserstoff in den Bereichen Elektrizität, Wärmeversorgung, Verkehr und Industrie. Unsere Forschungen zielen auf eine Kostensenkung der Technologien und eine Erhöhung der Effizienz elektrochemischer Zellen ab.“ Grüner Wasserstoff werde eine wichtige Rolle in der Mobilität der Zukunft spielen, ist Trattner überzeugt. „Zeitnah im Bereich des Schwerverkehrs und langfristig auch im Bereich der PKW. Zusätzlich zum Straßenverkehr wird Wasserstoff auch in der Schiff- und Luftfahrt eingesetzt werden. Es gibt verschiedene Gründe, warum Wasserstoff und Brennstoffzellenfahrzeuge eine attraktive Ergänzung zur batteriebetriebenen E-Mobilität darstellen können – vor allem die hohe Reichweite, das schnelle Betanken und das geringe Gewicht, das eine höhere Nutzlast erlaubt.“ Sein Resümee: „Die Steiermark hat sich über Jahrzehnte hinweg zu einem Top-Forschungsstandort für Wasserstoff entwickelt“, so Trattner. „Um noch besser zu werden, benötigt es unter anderem den Ausbau der Forschungs- sowie der Basisinfrastruktur in Industrie und Mobilität, weitere Förderungen zur Zusammenarbeit und die Förderung von Bildung sowie Ausbildung in diesem Sektor.“

AVL – DIE ZUKUNFT DES AUTONOMEN FAHRENS
Weltweit führend in der Entwicklung von wasserstoffbasierten Antriebskonzepten ist vor allem das Grazer Technologieunternehmen AVL, das dafür ein eigenes neues Wasserstoff-Test- und Entwicklungszentrum am Standort Hans-List-Platz betreibt. Seit Jahren treibt das Unternehmen den Wandel in allen technologischen Zukunftsfeldern voran – ob im Bereich der E-Mobilität, der Brennstoffzelle oder bei grünen Verbrennungsmotoren. Ein großer Schwerpunkt liegt darüber hinaus auf dem Bereich automatisierte und vernetzte Mobilität. „Die Vision des selbstfahrenden Fahrzeugs wirft dabei nicht nur rechtliche Aspekte auf, sondern vor allem Sicherheitsthemen“, betont Georg List, Strategiechef bei AVL, das an 90 Standorten weltweit 11.200 Mitarbeiter beschäftigt. „Die nötigen Fahrassistenzsysteme müssen ihre Aufgaben perfekt beherrschen. Dafür müssen die einzelnen Funktionen bis ins kleinste Detail getestet werden.“ AVL ist wichtiger Partner der Automobilindustrie bei Fahrassistenzsystemen (ADAS) und automatisiertem Fahren (AD) und verfügt über die entsprechende Infrastruktur, um die Entwicklung, die Kalibrierung, das Testen und die Absicherung gesamtheitlich zu unterstützen. In öffentlichen Testgebieten und in Testzentren werden durch AVL mittlerweile Tausende von Kilometern abgespult. Allerdings: Selbst auf Hightech-Arealen kann nicht jedes erdenkliche Szenario abgebildet werden. Die Konsequenz: Geschwindigkeitsassistenten, Spurhalte- und automatische Bremssysteme würden zunehmend digital getestet werden, da der Aufwand, reale Szenarien zu testen, immense Kosten verursacht. „Hunderte Millionen Kilometer müssten real verfahren werden, um eine Fahrfunktion final freigeben zu können“, verrät AVL-Experte Max Nestoriuc. Nur virtuelle Tests würden daher dauerhaft den Einsatz von ADASSystem ermöglichen. „Durch den Einsatz spezieller Simulationswerkzeuge kann die Prüfung der Systeme massiv skaliert werden“, erklärt der Experte. Immer häufiger wandert der Test von der Straße auf den AVL-Prüfstand. Um vielfältige Verkehrsszenarien schon in frühen Entwicklungsstadien virtuell und gesamtheitlich abzubilden, setzt AVL auch auf innovative Ansätze von Start-ups. Aktuelles Beispiel: eine Kooperation mit dem Stuttgarter Jungunternehmen Deepscenario. Das Start-up kombiniert die digitalen Testumgebungen mit Realszenarien, die durch Drohnen aufgenommen werden. „Während wir uns auf die Fahrzeugperspektive konzentrieren, bringt Deepscenario den Blickwinkel aus der Luft ein. Dadurch können bestimmte Szenarien viel schneller aufgelöst und erkannt werden.“

“AVL ist wichtiger Partner der Automobilindustrie bei Fahr-assistenzsystemen und auto-matisiertem Fahren“, Georg List, Strategiechef beim Mobilitäts-Technologieunter-nehmen AVL.

Automatisiertes Fahren: In digitalen Szenarien werden bei AVL sämtliche Eventualitäten simuliert – jetzt auch mit Hilfe des Stuttgarter Start-ups Deepscenario.

VIRTUAL VEHICLE – DIGITALER ZWILLING FÜR DAS GESAMTSYSTEM
Ebenfalls mit hochinnovativen Mobilitätslösungen beschäftigt sich das COMET-Kompetenzzentrum Virtual Vehicle – mit 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Europas größtes Forschungszentrum für virtuelle Fahrzeugentwicklung. Im Fokus stehen dabei Forschungen rund um klimaneutrale Mobilitätssysteme der Zukunft – auf der Straße wie auf der Schiene. Eine immer größere Rolle spielen dabei Projekte im Bereich der E-Mobilität. „BetterBatteries“, ein aktuelles Projekt unter der Konsortialführerschaft des Zentrums, beschäftigt sich mit der Nutzung von Second-Life-Batteriespeichern und deren Einsatz zur Erhöhung der Energieeffizienz und Netzstabilität. Auch das Projekt „XL-Connect“ rückt Batterien von E-Autos in den Fokus – Ziel ist die Schaffung eines digitalen Zwillings zur Gesamtsystemoptimierung. Der Hintergrund: Der erwartete Anstieg an E-Autos stellt auch für die Stromversorgung Europas eine Herausforderung dar, bietet gleichzeitig aber auch die Chance dafür, Elektroautos, die ja einen Großteil ihrer Lebensdauer „parken“, als Energiespeicher und zur Stützung des Netzes zu verwenden. Die Kenntnis bzw. Vorhersage von orts- und zeitabhängiger notwendiger Ladeleistung sowie zur Verfügung stehender Energiespeicher ist daher von entscheidender Bedeutung. Daher die Notwendigkeit, das Gesamtsystem zu regeln – ein Digitaler Zwilling zur Optimierung kann hier wertvolle Dienste leisten. „Batteriebetriebene E-Mobilität ist zweifellos ein wesentlicher Kern und bei uns im Fokus“, so Geschäftsführer Jost Bernasch. „Allerdings führen international gesehen unterschiedliche Umstände in einzelnen Ländern dazu, dass verschiedene CO2-neutrale Antriebskonzepte bevorzugt werden und sich künftig ergänzen. Eine Technologieoffenheit hinsichtlich dieser Konzepte ist daher sicherlich sinnvoll.“

Fokus auf E-Mobilität:
Jost Bernasch, Geschäftsführer von Virtual Vehicle, Europas größtem Forschungszentrum für virtuelle Fahrzeugentwicklung für Straße und Schiene

E-MOBILITÄT – DAS LADEN DER ZUKUNFT
Welche großen Chancen die Ära der Elektromobilität bietet, beweisen immer mehr Start-ups aus der Steiermark, die sich vor allem auf das Thema Ladetechnologie fokussieren. So gibt es mit den in Graz ansässigen Unternehmen Volterio und Easelink gleich zwei spannende und hochskalierbare Entwicklungen, die sich mit kabellosem, automatisierten Laden von E-Autos beschäftigen. Über fix verbaute Einheiten im Auto, die sich automatisch mit Ladeeinheiten im Boden verbinden, soll das Laden der Zukunft ohne manuelles Zutun erfolgen. Während Volterio in Kooperation mit dem deutschen Automobilzulieferer Continentale am ersten vollautomatischen Laderoboter Volterio Plus arbeitet, hat sich auch Easelink rund um CEO Hermann Stockinger das klare Ziel gesetzt, mit „Matrix Charging“ einen globalen Standard zu setzen.

„Die leichteste und bedienungsfreundlichste mobile Ladelösung für E-Autos am Markt“, Christian Kranz, Gründer von NECharge


Auch im Bereich kabelgebundener Ladetechnologien finden sich hierzulande innovative Ansätze, die spannende, mobil einsetzbare Alternativen zur klassischen Wallbox bieten. Während Innovationsführer und Marktpionier DiniTech in St. Stefan im Rosental mit dem NRGkick eine besonders sichere und multifunktional ausgestattete Lösung am Markt hat, setzt das Grazer Start-up NEcharge auf eine betont einfache und kompakte Lösung. „Mit NEcharge One haben wir nicht nur die leichteste, sondern auch bedienungsfreundlichste mobile Ladelösung für E-Autos am Markt. NEcharge One ist so einfach zu bedienen wie ein Handyladekabel“, betont Christian Kranz, Gründer von NECharge, der sich über eine jüngste Beteiligung von Maximilian Seidel und Gabriel Dielacher am Unternehmen freuen darf – frisches Kapital für die nächste Expansionsoffensive. „Deutschland ist der Kernmarkt der E-Mobilität. Daher gilt unser Fokus der Stärkung unserer Präsenz auf dem deutschen Markt. Wir sehen aber in ganz Europa enormes Potenzial für unsere Innovation.“ Vom Siegeszug der E-Mobilität ist Kranz restlos überzeugt. „Das Tempo wird zunehmend steigen. Die politischen Entscheidungen in der EU sind ganz klar pro Elektromobilität. Um die gesetzten CO2-Ziele zu erreichen, führt an dem BEV (Battery Electric Vehicle) kein Weg vorbei. Wir werden die nächsten Jahre eine Welle an neuen Modellen und Marken sehen, die alle 100 Prozent elektrisch betrieben werden. Jetzt geht es erst richtig los.“


„STARKER ANTEIL ANTRIEBSUNABHÄNGIGER F&E “

THOMAS KRENN
Geschäftsführer ACstyria

Wo sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen für die Betriebe des ACstyria?
Ausgehend vom EU-Ziel, bis 2050 eine klimaneutrale Gesellschaft zu erreichen, liegt unsere größte Herausforderung in der erfolgreichen Gestaltung der Transformation der Mobilität. Die steirischen Unternehmen haben sich gut positioniert und sind bestrebt, die bevorstehende Transformation aktiv mitzugestalten. Viele Betriebe haben sogar eine führende Rolle in der Entwicklung von unterschiedlichen, auch alternativen Antriebssystemen. Was uns hier mit Sicherheit hilft, ist der starke Anteil antriebsunabhängiger Forschung und Entwicklung in der Steiermark. 12 Prozent beträgt die F&E-Quote bei den ACstyria-Betrieben, d.h. 12 Prozent des Umsatzes werden in Innovation reinvestiert. Das macht uns stark, vor allem im Hinblick auf neue Technologien.

Was stimmt Sie zuversichtlich, dass sich der steirische Mobilitäts-Standort auch künftig behaupten kann?
Mit über 70.000 Mitarbeitern und mehr als 17 Milliarden Euro Umsatz ist der Mobilitätssektor aus wirtschaftlicher Perspektive von zentraler Bedeutung für die Steiermark. Einer von drei Euro wird in der Steiermark in der Mobilitätsindustrie erwirtschaftet. Damit dies auch künftig so bleibt, sehen wir es als unsere Aufgabe, uns intensiv mit zukünftigen Entwicklungen auseinanderzusetzen. Dazu werden wir in enger Abstimmung mit unseren Eigentümern, dem Land Steiermark und unseren über 300 Mitgliedsbetrieben ein Aktionsprogramm entwickeln, um die steirische Mobilitätswirtschaft für die Zukunft zu rüsten.

Automotive, Rail und Aerospace – wie entwickeln sich die einzelnen Sparten?
Über alle drei Sparten hinweg gibt es einen Trend zu umweltfreundlicheren und energieeffizienteren Antriebstechnologien, die weniger oder gar keine Emissionen ausstoßen: Entwicklungen von leichteren Materialien und innovativen Antriebssystemen stehen im Fokus. Die Digitalisierung – Stichwort „Shared Mobility“ – spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, um Produktion und Betrieb effizienter zu gestalten. Als Mobilitätscluster sind wir gefordert, die Transformation der Mobilität bestmöglich zu unterstützen.

02 / RAILSYSTEMS ZUKUNFT AUF SCHIENE

Besonders dynamisch entwickelt sich seit Jahren das steirische Kompetenzfeld Rail. Der Trend zu nachhaltigen Formen der Mobilität beflügelt die Nachfrage nach Produkten großer Systemlieferanten und hochqualifizierter Nischenspezialisten. Darunter Hidden Champions wie das Grazer Unternehmen PJM, System-Spezialist mit seinem digitalen Gesamtsystem WaggonTracker, ebenso wie die voestalpine, die mit ihren steirischen Standorten voestalpine Schienen GmbH in Leoben-Donawitz und voestalpine VAE Gruppe mit Sitz in Zeltweg zu den weltweit führenden Lieferanten von Schienen, Weichen und digitaler Signaltechnik für den internationalen Bahnverkehr zählt. Rund 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind im Bereich „Railway Systems“ der voestalpine beschäftigt. Zu den Produkthighlights zählen die in Leoben-Donawitz produzierten ultralangen 120-Meter-Schienen sowie Höchstgeschwindigkeitsweichen für bis zu 380 km/h oder Schwerlastweichen für bis zu 40 Tonnen Achslast. Intelligente voestalpine-Weichen mit Diagnoseinstrumenten – quasi dem „Bordcomputer“ der Weiche – erleichtern die Instandhaltung und beugen Ausfälle vor. Damit ist die voestalpine Technologie- und Innovationsvorreiter im weltweit boomenden Bahninfrastrukturmarkt.

Siemens Mobility Graz: 2.900 Fahrwerke werden in diesem Jahr gefertigt – das Herzstück von Lokomotiven, Straßenbahnen, U-Bahnen, S-Bahnen und Intercityzügen.

Weltkompetenz bei Rail Systems: voestalpine Schienen GmbH in Leoben-Donawitz und die voestalpine VAE Gruppe in Zeltweg sind führende Lieferanten von Schienen, Weichen und digitaler Signaltechnik für den internationalen Bahnverkehr

SIEMENS MOBILITY – FUNDAMENT FÜR KLIMAFREUNDLICHE MOBILITÄT
Ebenfalls ein Global Player im Rail-Business ist Siemens Mobility in Graz, das konzerninterne Weltkompetenzzentrum für Fahrwerke sowie Pantographen für Schienenfahrzeuge. Der Standort vereint Entwicklung und Produktion in einer Hand. Rund 2.900 Fahrwerke und 1.000 Pantographen im Jahr werden in Graz gefertigt – sie bilden das Herzstück von Lokomotiven, Straßenbahnen, U-Bahnen, Regionalzügen und Hochgeschwindigkeitszügen und damit das Fundament für klimafreundliche Mobilität. „Auch wir als Siemens Mobility profitieren von einer allgemein guten Marktentwicklung und blicken auf einen erfreulich hohen Auftragsbestand“, erklärt Stefan Erlach, Standortleiter Siemens Mobility Graz. „Aktuelle Großaufträge wie z.B. aus Indien und den USA sorgen für eine solide Grundauslastung für die kommenden Jahre.“

„Der Trend zur nachhaltigen Mobilität ist starker Treiber für unser Wachstum“, Stefan Erlach, Standortleiter Siemens Mobility Graz.

Aktuell investiert der Standort mit seinen 1.440 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rund 20 Millionen Euro in neue Maschinen und Anlagen, um die Aufträge effizient und ressourcenschonend abzuarbeiten. Ressourcenschonung ist auch einer der Wettbewerbsfaktoren, der die technologische Innovationsführerschaft des Unternehmens sichert. „Durch Entwicklung und Anwendung von konsequentem Leichtbau im Fahrwerk eines Schienenfahrzeugs werden diese effizienter und leichter – das heißt, wir reduzieren den Energieverbrauch durch weniger Masse“, so Erlach. Zudem garantieren die „gleisfreundlicheren Fahrwerke“ geringere Instandhaltungsaufwände für Fahrwerk und Schieneninfrastruktur – ein Beitrag zur Minimierung der Life-Cycle-Costs von Schienenfahrzeugen. Auch der Beitrag des Unternehmens im Bereich Nachhaltigkeit und Klimaschutz ist mannigfach. „Abgesehen davon, dass unsere Erzeugnisse klimaneutrale Mobilität unterstützen, arbeiten wir konsequent am Ziel der CO2-Neutralität bis 2030 am Standort Graz – dazu gehört etwa die trockene Bearbeitung in der mechanischen Fertigung, wodurch Kühlflüssigkeiten vermieden werden, die sonst aufwendig entsorgt werden müssten. Zudem verwenden wir ausschließlich wasserlösliche Lacke“, so Erlach, der als eine der wichtigsten Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel auf den eigenen Nachwuchs setzt. Derzeit werden 80 Lehrlinge in acht verschiedenen Berufsfeldern in der eigenen – staatlich ausgezeichneten – Lehrwerkstätte ausgebildet.

Drei Branchen – ein Cluster 

AUTOMOTIVE
Mit über 180 Partnerunternehmen ist das Kompetenzfeld Automotive seit Jahren treibender Wirtschafts- und Innovationsmotor der Steiermark. Das Know-how reicht von der Herstellung und Bearbeitung von Rohmaterialien und Komponenten über Forschung & Entwicklung bis hin zur Herstellung kompletter Fahrzeuge. 

AEROSPACE
Mehr als 80 steirische Unternehmen erwirtschaften in der Luft- und Raumfahrt Umsätze von über 650 Millionen Euro pro Jahr und beschäftigen rund 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die inhaltlichen Schwerpunkte liegen in den Bereichen Cabin Interiors, Strukturbauteile, Antriebsstrang, Materialien und Leichtbau. 

RAIL SYSTEMS
Mit großen Systemlieferanten, hochqualifizierten Nischenspezialisten 
und weltweit führenden Forschungseinrichtungen zählt das Kompetenzfeld Rail zu einer seit Jahren dynamisch wachsenden Branche. Der ACstyria vernetzt Partnerunternehmen in den Schwerpunkten Rolling Stock, Fahrweg und Signaltechnik.

03 / AEROSPACE STEIRISCHE AIRFOLGE FÜR DIE WELT

Auch im dritten großen Segment der Mobilität setzen heimische Betriebe Maßstäbe. Mehr als 80 steirische Unternehmen erwirtschaften in der Luft- und Raumfahrt Umsätze von über 650 Millionen Euro pro Jahr. Rund 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter produzieren Komponenten und Systeme in den Bereichen Cabin Interiors, Strukturbauteile, Antriebsstrang, Materialien und Leichtbau. Zu den Leitbetrieben zählen der Luftfahrt- und Racing-Spezialist Pankl Racings Systems, Luftfahrt-Interior-Spezialist AMES mit Sitz in Peggau, Präzisionsteile-Fertiger Antemo aus Judenburg und allen voran die voestalpine BÖHLER Aerospace. Das Unternehmen mit Sitz in Kapfenberg ist globaler Entwicklungspartner und führender Zulieferer von hochbeanspruchbaren Gelenkschmiedeteilen aus Titanlegierungen, hochlegierten Stählen und Nickelbasis Legierungen. Als Entwickler und Hersteller von kundenspezifischen, sicherheitskritischen Schmiedeteilen produziert das Unternehmen hochwertige Bauteile für die Luftfahrtindustrie. voestalpine BÖHLER Aerospace beliefert über 200 Kunden weltweit – darunter alle namhaften Flugzeugproduzenten wie Boeing und Airbus sowie Zulieferunternehmen wie MTU Aero Engines. Das Unternehmen mit rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und mehr als 250 Millionen Euro Umsatz darf sich über Rückenwind nach der Corona-Flaute freuen. Zuletzt konnte sich die voestalpine mehrere Großaufträge von renommierten internationalen Herstellern sichern. Schließlich profitiert das Luftfahrtsegment vom weiteren Anstieg der weltweiten Passagierzahlen. Auch Investitionen in effizientere Flugzeugtypen treiben die Bauraten von Flugzeugen gerade für Kurz- und Mittelstrecken – aber auch die Nachfrage nach Großraumflugzeugen steige, heißt es aus dem Unternehmen. Generell sieht sich die Branche einer umfassenden Transformation gegenüber – durch die Herausforderung, den CO2-Ausstoß gemäß der Klimaziele deutlich zu reduzieren. „Die voestalpine forciert bereits jetzt die konsequente Reduzierung des CO2-Fußabdrucks ihrer Produkte“, so Unternehmenssprecherin Tanja Eckerstorfer. „Durch modernste Fertigungstechnologien werden die Flugzeugkomponenten immer gewichts- und damit treibstoffsparender. Das Unternehmen nutzt schon heute die Chance, die Zukunft der grüneren Luftfahrt mitzugestalten.“

„Ein Schwerpunkt des ACstyria gilt der Bekämpfung des Fachkräftemangels“, betont Geschäftsführer Thomas Krenn und verweist auf Praxisbeispiele wie Bildungskooperationen mit Spanien. „Junge Menschen aus strukturschwachen Regionen des Landes erhalten in obersteirischen Vorzeigebetrieben die Möglichkeit zu Ausbildung und Arbeitsplatz in einem hochspannenden Umfeld.“ 
Eine wichtige Maßnahme ist auch der jährlich stattfindende ACstyria Recruting Day am Red Bull Ring, der Arbeitgeber mit den Fach- und Schlüsselkräften der Zukunft vernetzt.

„FEDERLEICHTE“ FEDERN FÜR DIE GLOBALE LUFTFAHRT
Nicht nur die Großen geben in der Luftfahrt den Ton an, auch wendige, steirische KMU nützen ihre Chancen. Bestes Beispiel ist Spring Components mit Sitz in Gusswerk, Mariazell. Dem traditionsreichen Familienunternehmen – seit jeher auf die Erzeugung von Stahlfedern spezialisiert – gelang die erfolgreiche Transformation zum hochinnovativen Lieferanten für die Luftfahrfahrtindustrie. „Rund 30 Prozent des Umsatzes entfallen bereits auf den Bereich Aerospace, darüber hinaus beliefern wir aber auch Rail und Automotive sowie weitere Industrien“, erklärt der geschäftsführende Gesellschafter Hugo Sampl, der das Unternehmen gemeinsam mit Roland Harrer in den vergangenen Jahren zunehmend auf neue Märkte ausrichtete.

Hugo Sampl, Geschäftsführer von Spring Components aus Gusswerk, spezialisiert auf die Federnerzeugung mit Fokus auf die Luftfahrtindustrie

Nachhaltigkeit als Chance in der Luftfahrt – jedes eingesparte Gramm zählt. Daher setzt Spring Components auf Teile aus Titan und Aluminium.

„Lag der Fokus einst auf eher einfachen Zug- und Druckfedern, produzieren wir heute hochwertige Komponenten mit großer Wertschöpfungstiefe.“ Das Produktspektrum umfasst Federn und Biegeteile sowie Sonderanfertigungen nach Kundenwunsch. „Vor 20 Jahren kamen wir erstmals mit der Luftfahrt in Berührung und haben gleich gesehen, dass die Branche zu uns und unserem Know-how passt“, so der Unternehmer. „Heute beliefern wir System- und Komponentenlieferanten unter anderem mit Teilen für Interieur- und Fenstersysteme von Flugzeugen, aber auch mit Strukturteilen, etwa für das Antriebssystem der Schubumkehr.“ Komponenten aus Mariazell fliegen in allen bekannten Flugzeugen wie Airbus, Boeing, Embraer oder Bombardier. „Derzeit erlebt die Luftfahrtbranche einen Corona-Nachhol-Effekt, von dem auch wir profitieren“, freut sich Sampl. „Auch der Rail-Bereich entwickle sich sehr gut, einzig Automotive schwächle ein wenig – aufgrund der aktuellen Transformation, die mit viel Unsicherheit verbunden ist, aber auch durch den Krieg in der Ukraine“, so Sampl, der den Nachhaltigkeitstrend in der Mobilität als große Chance sieht. „Vor allem in der Luftfahrt zählt jedes eingesparte Gramm Gewicht. Unsere Teile sind vorwiegend aus Titan und Aluminium – was im Falle einer Titan-Feder eine Gewichtseinsparung von 50 Prozent bringt“, so Sampl. Der Gesellschafter der ACstyria blickt trotz aller Herausforderungen zuversichtlich in die Zukunft: „Die Elektrifizierung schreitet voran und ist nicht mehr aufzuhalten. Daher wird es sicher gewisse Verschiebungen geben, aber unterm Strich glaube ich nicht, dass wir in der Steiermark künftig weniger Beschäftigung haben werden. Unser Netzwerk großer und kleiner Betriebe im Verbund mit unseren erstklassigen Forschungseinrichtungen ist so gut aufgestellt, dass wir die Transformation gut meistern werden.“

voestalpine BÖHLER Aerospace mit Sitz in Kapfenberg: globaler Entwicklungspartner und führender Zulieferer von hochbeanspruchbaren Teilen für alle großen Flugzeugbauer.

Moving On – ACstyria Mobilitätskongress 2023
Am 26. und 27. September 2023 findet wieder der österreichische Leitkongress zum Thema Mobilität statt. Über 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutieren gemeinsam mit internationalen Expertinnen und Experten die neuesten technologischen Entwicklungen in der Automobil-, Luftfahrt- und Bahnindustrie, aber auch gesellschaftliche Aspekte, die die Zukunft der Mobilität beeinflussen. In der begleitenden Fachausstellung präsentieren Unternehmen und Institutionen aus dem Netzwerk des ACstyria ihre Produkte und Lösungen für die Zukunft der Mobilität.
https://acstyria.com

FOTOS: ISTOCK (GORODENKOFF), BEIGESTELLT

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