Spirit of Styria

Neue Ideen für VERTRAUTE FIGUREN

Der international renommierte Grazer Charakterdesigner und visuelle Entwicklungskünstler Florian Satzinger  entwirft neue – und überarbeitet bestehende – Trickfilmfiguren. Zu seinen Motiven zählen so berühmte Figuren wie Donald Duck oder Mickey Mouse, die er für Kunden wie Warner Bros. oder Disney in Szene setzt. „SPIRIT of Styria“ trifft den Trickfilmzeichner zum Gespräch über die Bedeutung von Teamwork, welche Merkmale eine Figur zum Leben erwecken, was ihn bis heute inspiriert und dass Diversität auch im Trickfilm eine wichtige Rolle spielt.

Barfuß und mit sympathischem Lächeln empfängt uns Florian Satzinger in seiner Grazer Wohnung. Von hier und seinem Büro aus entwirft der Trickfilmzeichner in oft monatelanger Arbeit bekannte Trickfilmfiguren für internationale Kunden wie Disney oder Warner Bros. Ein doch ungewöhnlicher Karriereweg – weshalb unsere erste Frage Florian Satzingers beruflichen Alltag betrifft. „Ich bin in Österreich mit meiner Aufgabe zugegeben ein Exot. Es ist nicht alltäglich, dass man als Designer für den Animationsfilm in Übersee arbeitet, jedoch gestaltet sich mein beruflicher Alltag wie jeder andere Designjob. Ich muss mich an bestimmte Vorgaben halten, aber man lässt mir sehr viel Spielraum“, erklärt Satzinger und führt weiter aus: „Die Zeichen- und Maltechniken des Animationsfilms fordern bestimmte technische Fähigkeiten, nämlich vor allem gut, klar und eindeutig zeichnen zu können. Ein Trickfilmzeichner muss mit vielen anderen in der Produktion eines Filmes involvierten Menschen nahe zusammenarbeiten und mit ihnen gemeinsam sich auf einen lesbaren Stil einschwören. Figuren müssen klare Silhouetten aufweisen und sofort zu erkennen sein. Und besondere Posen und Situationen, in denen sich eine Zeichentrickfigur wiederfindet, gepaart mit anthropomorphisierten Charakterzügen und einem bestimmten Appeal, lassen eine Cartoonfigur erst lebendig erscheinen, erklärt Satzinger. In seiner Rolle als konzeptueller Vorzeichner bzw. Charakterdesigner trägt der Künstler besonders viel Verantwortung. Denn die Baupläne seiner Figuren zeichnen sozusagen den weiteren Weg ganzer Filme vor.

FLORIAN SATZINGER geboren 1970. Lebt in Graz.
Ausbildung am Vancouver Institute of  Media Arts in British Columbia, Kanada, und an der Fakultät für Kunst und Creative Industries der Middlesex University London Arbeitet für Kunden wie Warner Bros., Disney, Reel FX und Zanuck Company.
Eigene Werke, Ausstellungen und Auftragsarbeiten innerhalb der Eigenmarken DUCKLAND und PAPERWALKER Studios SHF.
Mitglied des Creative Talent Network in Los Angeles
Dozent an Hochschulen wie der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF sowie The Animation Workshop (Viborg Dänemark).
2009 gewann Satzinger den Nemoland-Award für Character Design in Florenz

VORGEZEICHNETER WEG ZUM CHARAKTERDESIGNER
Lauscht man Florian Satzingers Begeisterung für Trickfilme, scheint sein Weg zum international bekannten Trickfilmzeichner von Kindesbeinen an fast schon vorbestimmt. „Zeichnen und Malen war für mich ein integraler Bestandteil von Freizeit und half mir, die Zeichentrickfilme und -serien meiner Kindheit in den 1970er Jahren auf meinem Zeichenblock aufzuzeichnen. Videorekorder waren damals noch eher eine Seltenheit“, lacht Satzinger. Animationsfilme blieben bis ins Teenageralter interessant, wurden aber erst nach der Matura in Graz zu einer regelrechten Leidenschaft. Per Zufall entdeckte er eine Annonce des Vancouver Institute of Media Arts, eine Kanadische Kunsthochschule, die einen eigenen Studiengang für Trickfilmanimation anpries. „Es gelang mir, meine Eltern zu überzeugen, nach Kanada gehen zu dürfen.“ Dort traf Satzinger den inzwischen leider verstorbenen Disney-, MGM- und Hanna-Barbera-Animator und Animationsregisseur Ken Southworth, eine der Koryphäen auf dem Gebiet der Animation, der Satzinger unter seine Fittiche nahm. „Southworth lehrte mich, mich als eine Art Reporter zu begreifen, der seine eigenen Figuren beobachtet und analysiert, wie sie sich verhalten und was sie gerade tun: Was fällt dir als Erstes an der Figur auf? Was verleiht ihr Charakter und macht sie glaubwürdig?“ Um seinen Blick weiter zu schulen, studierte Satzinger daraufhin in London Malerei und bekam während dieser Zeit bereits die erste Anfrage von Disney. „Das war eine aufregende Zeit“, erinnert sich Florian Satzinger, „da man plötzlich mit so berühmten Figuren arbeitet, die nahezu jeder Mensch auf dem Planeten kennt.“ Relativ schnell machte sich Florian Satzinger einen Namen und wird von großen Filmstudios wie Warner Bros. oder Kunden wie Coca-Cola, Red Bull und Snapchat für die Pre-Production und visuelle Entwicklung verschiedener Projekte beauftragt. Heute entwickelt Florian Satzinger unter den Labels DUCKLAND und PAPERWALKER Studios SHF auch eigene IPs und Kunstwerke. Darunter sind Projekte wie DUCK AWESOME und JOHN STARDUCK, die Grazer Ausstellungsserie DUCKLAND sowie die gigantische „Zeitungsente“ im Styria Media Center Graz zu finden. Aktuell gibt eine Ausstellung im Karikaturmuseum Krems einen umfassenden Einblick in die Arbeitsweise des Künstlers. Weitere Ausstellungen wie Duckland 3 in Helsinki sind bereits in Planung. Dass Satzinger schon längst auf der internationalen Weltbühne angekommen ist, zeigt nicht zuletzt eine ganz besondere Auszeichnung: Für seine eigenwilligen und originären Designstudien erhielt Florian Satzinger 2009 in Florenz den renommierten Nemoland Award. „Was mich gewissermaßen auf die Trickfilmlandkarte gesetzt hat.“

Satzinger persifliert sich in seiner Kindheitserinnerung als eifrig kritzelndes Entchen: „miniduckme“

ZEICHNEN ALS BILDHAUEREI
Allen Werken Satzingers ist gemeinsam, dass sie sich vor allem durch ein außerordentliches Verständnis für Zeichnung, Raum und Form auszeichnen. „Gerade im Character-Design ist dieses perspektivische Verständnis zentral.“ Florian Satzinger zeichnet hauptsächlich in der Fluchtpunktperspektive: Neben einer Horizontlinie laufen alle Linien in festgelegten Punkten zusammen, wodurch Gegenstände wie Gebäude oder aber auch Extremitäten einer Figur weiter hinten im Bildraum verkürzt werden, was räumliche Tiefe entstehen lässt. „Ich verstehe das Blatt Papier als zweidimensionalen Rahmen, durch den man in einen dreidimensionalen Raum blicken kann. Das ist etwas, das man im Animationsfilm lernt: Dass Zeichnen am Papier Modellieren ist. Man formt mit Strichen unterschiedliche Formen und Volumen, Silhouetten und Kontraste. Durch weitere, gestalterische Elemente, die physikalische Wirkungen, Lichteinfall, Schattenwurf etc. berücksichtigen, werden Zeichnungen glaubwürdiger und nehmen einen mit auf eine fantastische Reise, die dennoch in der realen Welt verhaftet ist.“

Satzingers Zeichnungen referenzieren auf Alte Meister wie Carl Spitzweg, von dem der Hintergrund dieser Szene entlehnt ist.

VON DEN ALTMEISTERN ZU DEN ZEITGENOSSEN
In Satzingers über Stift, Papier und Computer geschaffenen Welten fließen zahlreiche Referenzen zu anderen Künstlern und Kunstrichtungen mit ein. Diese Neukontextualisierung der Figuren in altmeisterliche bis zeitgenössische Umgebungen bildet den einzigartigen, wiedererkennbaren und persönlichen Stil des Künstlers. „Im Besonderen hole ich mir Anregungen und Ideen aus benachbarten Kunstfeldern wie der Architektur, der klassischen als auch der modernen Kunst sowie dem Design, als auch der Literatur und der Fotografie. Vor allem inspirieren mich meine vielen Auslandsreisen.“ So tauchen Satzingers Figuren in Kunstwerke der Altmeister des 19. Jahrhunderts ein, etwa indem eine Ente von einer Kanone in eine altehrwürdige Bibliothekswand von Carl Spitzweg geschossen wird. Satzinger: „Die Werke von Carl Spitzweg und Albert Bierstadt gelten u.a. als die Idealvorlagen bzw. Ursprünge für die Gestaltung der meisten Hintergründe des Zeichentrickfilms im 20. Jahrhundert und liefern bezugsfertige Szenen für meine Figuren. Aber auch moderne Konzeptkünstler wie Maurizio Cattelan faszinieren mich, da er mich mit seinen Ideen immer wieder überrascht.“ Weitere Inspiration holt sich Satzinger aus dem Technikfuturismus der 1950er bis 1970er Jahre und den Werken Jules Vernes. „Allen Dingen, insbesondere Maschinen, haftet ein Jules Verne’scher Ton an, eine dahinterliegende Mechanik wie die eines Uhrwerks. Durch das Stilmittel der Übertreibung entstehen aberwitzige Vehikel, die dank der Vergrößerung von Dampfkraft oder Zündmechanik gleich bis zum Mond fliegen. Das ist wahrscheinlich ausschlaggebend dafür, dass ich oft angeheuert werde, da ich über neue visuelle Gedanken bestehende Figuren weiterentwickle. Denn die Bereitschaft der Studios, Figuren nicht nur zu erhalten, sondern zu verändern und etwas Zeitgeist zu verleihen, ist so groß wie nie.“

Duct taped duck – Eine Persiflage von Maurizio Cattelans „Comedian“, eine Installation, die eine mit Klebeband an der Wand befestigte Banane zeigt

TRICKFILM ALS WELT FÜR ALLE
Das Character-Design Satzingers widmet sich der Frage, wie z.B. Diversität im Trickfilm berücksichtigt werden kann und sich Stereotype vermeiden lassen. Denn gerade vorgefertigte und achtlos übernommene Bilder der Cartoonhelden des zeitgenössischen Animationsfilms sind als dauerpräsente Identifikationsfiguren äußerst mächtig. Ein jüngstes Beispiel dafür ist etwa die Debatte um kulturelle Aneignung innerhalb der Werke Karl Mays. „Es ist heute wichtig, genau hinzuschauen, Klischees und ungerechte Zuordnungen zu vermeiden und ein neues, gerechtes Rollenverständnis zu unterstützen. Deshalb nehme ich es in meiner Kunst sehr ernst, neue Bilder zu schaffen, die niemanden ausgrenzen oder abwerten. Obwohl ich vermenschlichte Tiere wie Enten zeichne, die bekanntlich schlechtere Anwälte haben, handelt es sich dabei immer noch um Identifikationsfiguren aus einer anderen Welt, die in unsere Lebenswelt überschwappt. Und in beiden Welten soll Platz für alle sein.“

Der Weg von der ersten Skizze bis hin zum fertigen Charakterbild

Fotos: Oliver Wolf

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