Spirit of Styria

Trachten-Business AUS DEM VULKANLAND

Vom südoststeirischen Studenzen aus hat sich Trachtenmode Hiebaum – im Jahr 1955 als kleine Näherei gegründet – zwischen Meran und München einen exquisiten Ruf als regionale Trachtenmanufaktur erworben und beliefert rund 200 Handelspartner im alpinen Raum. Ihr Augenmerk legen Ingrid und Josef Schiffer dabei klar auf Qualität.

Trachtenmode Hiebaum: Josef und Ingrid Schiffer führen
das im südoststerischen Studenzen ansässige Unternehmen mit
Fokus auf Qualität und regionale Produktion.

Die Lage: ländlich, geradezu idyllisch. Verkehrsberuhigt die Zufahrt durch den beschaulichen Ort Studenzen, einst eigenständige Gemeinde, nun zu Kirchberg an der Raab zählend. Vorbei an liebevoll gepflegten Gärten und von stattlichen Zäunen umschlossenen Einfamilienhäusern, welche die nicht einmal 700 Einwohnerinnen und Einwohner dieses als Tor zum Vulkanland bekannten oststeirischen Ortes beherbergen, führt der Weg hinauf, bis wir, leicht erhaben und über kaskadenartig gestaffelten Parkplatzebenen thronend die Kathedrale der Trachten erreicht haben. Hier ist Hiebaumland: Produktionsstätte, Geschäft – und Erlebniswelt.

Wir durchqueren den großzügigen, satte 400 Quadratmeter großen Shop voll mit Trachten, Dirndln, Anzügen, Schürzen, Blusen, Hemden, Lederhosen, Krawatten, Tüchern, alles, was das Trachtenherz begehrt – rund 8.000 Besucherinnen und Besucher decken sich hier jährlich direkt an der Quelle ein – und gelangen in das Herz des Unternehmens: die Trachtenproduktion. Links und rechts getrennt durch einen Gang und hinter Glas die Büros von Ingrid und Josef Schiffer – sie, aus der Gründerfamilie stammend, modeschöpferische Instanz und Eigentümerin des Unternehmens, er als „eingeheirateter“ Quereinsteiger aus dem Automotive-Bereich kommend seit über 30 Jahren strategisches und wirtschaftliches Mastermind von Trachtenmode Hiebaum sowie Kommunikator nach außen.

REGIONALE WERTSCHÖPFUNG
Ein paar Schritte weiter beginnt die eigentliche Produktion. Ein lang gestreckter Raum mit Reihen von Arbeitstischen, jede Menge Gerätschaften, Mitarbeiterinnen – der Frauenanteil liegt augenscheinlich bei 100 Prozent –, die konzentriert, aber wohlgemut an den Teilen handwerken, surrende und rasselnde Nähmaschinen, pfauchende Bügeleisen. Auf Ständern in Reih und Glied die fertigen Trachtenteile, bereit für den Versand an die rund 200 Handelspartner vorwiegend in Österreich, Deutschland, Südtirol und der Schweiz. Noch einen Raum weiter stapeln sich hunderte Stoffballen, Borten, Schleifen, alles, was zur Herstellung der Trachten benötigt wird. Qualitativ hochwertigste Rohstoffe, wie Josef Schiffer betont, bezogen durchwegs von in Europa angesiedelten Herstellern: Seiden- und Jacquardstoffe etwa von österreichischen Herstellern, Baumwollstoffe aus Deutschland, „maximal aus dem Baltikum“, nicht jedoch aus durchaus handelsüblichen Zulieferstaaten wie etwa der Türkei. Eben rollen zwei Mitarbeiterinnen einen Ballen auf einer großen Arbeitsfläche aus, um den Stoff anschließend glatt zu streichen, bevor sie daraus die Einzelteile zuschneiden.

2020, in der ersten Phase der Pandemie, hatten Schiffer und seine Frau Seite an Seite mit ihren Mitarbeiterinnen aus Trachtenstoffen Abertausende stylishe Schutzmasken hergestellt „Wir konnten uns der Nachfrage kaum erwehren, haben zeitweise beinahe rund um die Uhr gearbeitet.“ Heute kaum mehr vorstellbar. Immerhin habe ihnen das dabei geholfen, ihre Mitarbeiterinnen in Beschäftigung zu halten. Speziell während der Lockdowns war die Nachfrage nach Trachten nämlich so gut wie zum Erliegen gekommen. Kein Wunder, waren doch alle privaten und öffentlichen Veranstaltungen, die Gelegenheit geboten hätten Tracht zu tragen, gecancelt worden. Wenigstens konnten zarte Nachfrageimpulse zwischen den Lockdowns genützt werden. „Hätten wir“, blickte Schiffer heute zurück, „einen Grund gesucht, uns aus dem Business zu verabschieden, Corona hätte dafür die perfekte Kulisse geboten.“ Doch ein solches Szenario sei nie auch nur zur Diskussion gestanden; „aus Idealismus und Freude an der Tätigkeit“, ebenso aus Verantwortung den zumeist langjährigen, mit dem Unternehmen tief verbundenen und allesamt in der unmittelbaren Umgebung beheimateten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber, wie Schiffer betont.

Trachtenmode Hiebaum wurde 1955 von Alois und Anna Maria Hiebaum als kleine Näherei gegründet und steht seither im Familienbesitz. Als Eigentümerin fungiert Ingrid Schiffer, die aus der Gründerfamilie stammt. Sie ist auch das kreativ-modeschöpferische Mastermind hinter den Hiebaum-Trachten. Ihr Mann Josef, Trachtenquereinsteiger, repräsentiert das Unternehmen nach außen und ist seit über drei Jahrzehnten für den Business-Part verantwortlich.

Rund 30 Mitarbieterinnen und Mitarbeiter, vorwiegend Frauen, die alle aus der Region stammen, sind in der Trachtenproduktion, im Vertrieb sowie im Geschäft am Firmenstandort im südoststeirischen Studenzen tätig. Pro Jahr werden rund 80.000 Trachtenteile hergestellt. Stoffe und andere Rohstoffe werden überwiegend von Herstellern aus Österreich und Deutschland bezogen. 

Der Verkauf der Trachten und Accessoires erfolgt im eigenen Geschäft, über den eigenen Webshop sowie über rund 200 Handelspartner im alpinen Einzugsgebiet. Neben regionalen Linien wie der Vulkanlandtracht oder der Roseggertracht werden jährlich zwei universelle Hiebaum-Kollektionen angeboten. Absatz nach Ländern: ca. 60 % Österreich, 15 % Deutschland, 15 % Südtirol, 10 % Schweiz.

An die Handelspartner gebracht werden die jeweiligen Kollektionen von zwei selbstständigen Handelsvertretungen sowie über Fachmessen.

Produktion und Geschäft am Standort Studenzen sind im Rahmen der Erlebniswelt Wirtschaft besuchbar. www.hiebaum.at

HOCHWERTIGE ROHSTOFFE
Seit 2022, mit der Rückkehr der Feste, der Feiern und des normalen Lebens nach den Lockerungen, brummt auch der Trachtenmotor wieder. Anfangs angesprungen aus der Deckung des Nachholbedarfs, als viele angesichts der wiedererwachten Feierlaune ein „Manko im Kleiderschrank“ bemerkt hätten, sei daraus, so Schiffer, mittlerweile eine zünftige Konjunktur geworden. „Wenn das noch ein paar Jahre so weitergeht, habe ich auch nichts dagegen.“ Doch nach der Krise ist schon wieder mitten in der nächsten Krise, könnte man in Abwandlung eines beliebten Diktums sagen. Sprich: Inflation, drohende Rezession. „Die Rohstoffpreise haben schon länger schleichend, peu à peu, angezogen.“ Und dann habe sich, kriegsbedingt, die Preis- und Kostenspirale in Bewegung gesetzt. Inflation und Rezession seien durchaus Herausforderungen, gibt der Trachtenunternehmer zu.

„Wir hatten schon bisher das Thema, unsere ambitionierten Gestehungskosten, die aus der Verwendung hochwertiger Luxusrohstoffe und regionaler handwerklicher Manufakturproduktion auf heimischem Lohnlevel resultieren, in einem auch preislich für breitere Käuferschichten attraktiven Produkt unterzubringen.“ Das werde angesichts langer Vorlaufzeiten und daraus resultierender Unkalkulierbarkeiten unter Inflationsbedingungen nicht einfacher. An der Qualität dürfe keinesfalls gespart werden, beim Einkauf gebe es kaum Spielraum. „Vielleicht finden wir noch den einen oder anderen Ablauf in der Produktion, den wir einfacher gestalten können“, denkt Schiffer laut nach. „Hilfreich wäre mittelfristig aber, wenn sich die Inflation wieder auf ein vertretbares Maß einbremsen würde.“

Dass dem Unternehmer die aktuellen krisenbedingten Entwicklungen trotz der flotten Nachfrage – ca. 80.000 Trachtenteile verlassen im Jahr die Produktionsstätte, der Umsatz bewegt sich im mittleren einstelligen Euromillionenbreich – zwar Sorge, jedoch keine schlaflosen Nächte bereiten, liegt auch an den noch vor Corona vollzogenen strategischen Veränderungen, die aus heutiger Perspektive beinahe prophetisch anmuten.

Rund 80.000 Trachtenteile jährlich verlassen die Hiebaum-Produktionsstätte in Studenzen.

Stoffe & Co. Hochwertige Rohstoffe aus europäischer, vorwiegend österreichischer Produktion.

VERZICHT AUF MASSE
Schon Mitte der 2010er-Jahre hatte Schiffer begonnen, das expansive Parallelgeschäft mit günstigen Trachten, die an Warenhäuser und Onlinehändler geliefert wurden, Zug um Zug zurückzufahren. Hatte Hiebaum damit jahrelang den Trachtenboom für unternehmerisches Wachstum nutzen können, hätten mit zunehmender Marginalisierung der Margen Kostendruck und die daraus resultierenden Risiken und Zwänge die Gewinnaussichten langsam, aber sicher zu überwuchern gedroht. Die outgesourcten Produktionen wurden zurückgefahren, Lieferverpflichtungen abgebaut. Gleichsam im Gegenzug, so Schiffer, sei das Augenmerk auf Qualität, Nachhaltigkeit und Regionalität beim Kernportfolio, etwa der Vulkanlandtracht, der Roseggertracht oder der universellen Hiebaum-Kollektion, noch weiter vertieft worden. Schließlich sorgten sukzessive altersbedingte Pensionierungen am Firmensitz und Produktionsstandort Studenzen – nur bei außergewöhnlichen Nachfragespitzen werden Teile der Herstellung außer Haus vergeben – für ein natürliches Einschleifen des Mitarbeiterstandes.

Parallel bauten Schiffer und seine Frau die Managementkultur in ihrem Unternehmen um. „Weniger Führung, mehr Selbstverantwortung in Teams“, so die Devise. „Nicht etwa, um uns selbst freizuspielen“, wie Schiffer betont, „sondern um das Unternehmen mit einer modernen Arbeitskultur weiterzuentwickeln und noch attraktiver zu machen.“ Wie heute überall sei die Suche nach Fach- und Arbeitskräften auch hier eine Herausforderung. „Mit bis zu einem Jahr von der Ausschreibung bis zur Besetzung müssen wir kalkulieren, trotz Überzahlung und kollegialer Arbeitsbedingungen.“ Schiffer hat sich mit seiner Frau darauf verständigt, über das gesetzliche Pensionsalter hinaus weiterzumachen. „Nicht, weil wir unbedingt müssten, sondern weil wir mit Freude und Leidenschaft bei der Sache sind; und aus Loyalität unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber.“

FEINARBEIT AM USP
Gerade seien die Musterteile für die Winterkollektion 2024 in Arbeit. Die Stoffauswahl für Sommer 2025 werde noch heuer erfolgen, gibt Schiffer eine Vorstellung von den Vorlaufzeiten. Zwei Kollektionen pro Jahr mit je 300 Teilen stehen auf der Agenda. „Mit einer Farbkarte aus Paris kommst du da nicht weit – nicht bei der Tracht.“ Bauch- und Feingefühl sowie Erfahrung seien entscheidend für den Erfolg. „Wir arbeiten aber auch an Optimierungen; etwa daran, dass unsere Teile so einfach wie möglich an individuelle Körperformen angepasst werden können, auch von nicht auf Trachten spezialisierten Professionisten oder Hobbyschneiderinnen. Quasi plug and play.“ Mit allen Arbeitsschritten im eigenen Haus lasse sich ohnehin alles viel rascher und flexibler umsetzen. „Beinahe monatlich“, erwähnt Schiffer schließlich, „hätten wir die Gelegenheit, irgendwo in Einkaufs- oder Ortszentren einen Shop zu eröffnen. Doch darauf lassen wir uns nicht ein. Wir vertrauen auf unsere Partner im Handel und konzentrieren uns weiter auf unser Geschäft hier in Studenzen.“ Für Josef und Ingrid Schiffer sowie Tausende Trachtenfans ist hier der Mittelpunkt der Welt.

Fotos: Oliver Wolf

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